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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sie?», fragte sie scharf.
    «Ich verstehe, dass Sie Ihrem Gatten in erster Linie Mutter sein mussten, wo Sie es vorgezogen hätten, seine Frau zu sein.»
    Sie wandte sich ab.
    In diesem Augenblick kam David Lee über die Terrasse. Seine Stimme klang hell und fröhlich, als er rief:
    «Hilda, ist heute nicht ein herrlicher Tag? Fast wie Frühling mitten im Winter.»
    Er kam näher. Eine blonde Locke fiel ihm in die Stirn, seine blauen Augen leuchteten. Er sah erstaunlich jung und knabenhaft aus. So unbeschwert strahlend und heiter sah er aus, dass Poirot den Atem anhielt.
    «Komm, wir wollen zum See hinuntergehen, Hilda», sagte David. Er lächelte sie an, legte den Arm um ihre Schulter, und die beiden entfernten sich.
    Poirot sah ihnen nach und bemerkte, dass Hilda sich plötzlich umwandte und ihm einen Blick zuwarf. Es lag eine bange Frage in diesem Blick – oder war es sogar Angst? Langsam ging Poirot bis ans andere Ende der Terrasse.
    Ich sage ja immer, dass ich ein richtiger Beichtvater bin! Und da im Allgemeinen Frauen häufiger zur Beichte gehen, werden heute Morgen hauptsächlich Frauen zu mir kommen. Ich frage mich, wer die nächste sein wird, dachte Poirot.
    Kaum hatte er am Ende der Terrasse kehrtgemacht, um langsam zurückzugehen, sah er diese Frage bereits beantwortet. Lydia Lee kam ihm entgegen.
     
    «Guten Morgen, Mr Poirot. Tressilian sagte mir, dass ich Sie mit Harry hier finden würde, aber ich bin froh, dass Sie allein sind. Mein Mann redet ständig von Ihnen. Er möchte Sie dringend sehen.»
    «Ach? Soll ich zu ihm hineingehen?»
    «Nicht im Augenblick. Er hat heute Nacht kaum geschlafen. Ich musste ihm schließlich ein Schlafmittel geben. Jetzt schläft er noch, und ich möchte ihn nicht wecken.»
    «Das verstehe ich sehr gut. Sie haben vollkommen Recht. Ich habe schon gestern Abend bemerkt, wie tief Ihr Gatte erschüttert war.»
    Sie sah ihn ernst an.
    «Sehen Sie, Monsieur Poirot, er liebte seinen Vater wirklich, mehr als die anderen.»
    Poirot nickte.
    «Haben Sie – hat der Inspektor – bereits eine Ahnung, wer diesen grauenvollen Mord begangen haben könnte?»
    «Wir haben verschiedene Ideen, Madame», gab Poirot ausweichend zurück, «aber nur davon, wer die Tat nicht verübt haben kann.»
    «Es ist alles wie ein Albtraum – fantastisch –, ich kann nicht fassen, dass es wirklich sein soll», sagte Lydia nervös. Plötzlich sah sie Poirot aufmerksam an. «Was ist mit Horbury? War er wirklich im Kino, wie er angab?»
    «Ja, Madame. Seine Aussage wurde genau überprüft. Er hat die Wahrheit gesagt.»
    Lydia zupfte an einem Eibenästchen. Sie wurde blasser.
    «Aber das ist ja entsetzlich!», stieß sie plötzlich hervor. «Dann - dann bleibt ja nur die Familie.»
    «Sehr richtig.»
    «Monsieur Poirot, das kann ich nicht fassen!»
    «Madame, das können Sie sehr wohl fassen.»
    Sie schien protestieren zu wollen; aber plötzlich begann sie reumütig zu lächeln.
    «Jeder Mensch neigt zu Heuchelei», sagte sie leise.
    «Gewiss, Madame. Und wenn Sie sich entschließen können, mir gegenüber ganz offen zu sein, dann müssen Sie zugeben, dass Sie es durchaus natürlich fänden, wenn ein Mitglied Ihrer Familie den alten Mr Lee ermordet haben sollte.»
    «Das ist nun wirklich eine ungewöhnliche Feststellung, Monsieur Poirot», sagte Lydia steif.
    «Gewiss. Aber Ihr Schwiegervater war ein sehr ungewöhnlicher Mensch.»
    «Armer alter Mann! Jetzt tut er mir Leid. Solange er lebte, hat er mich unsagbar geärgert.»
    «Das kann ich mir lebhaft vorstellen», murmelte Poirot.
    Er neigte sich über einen der kleinen Ziergärten.
    «Reizend. Ganz bezaubernd ausgedacht.»
    «Ich freue mich, dass sie Ihnen gefallen», sagte Lydia. «Mein Steckenpferd, wissen Sie. Finden Sie den arktischen mit den Pinguinen und dem Eis auch hübsch?»
    «Sehr hübsch! Und das hier – was stellt das dar?»
    «Das Tote Meer – soll es werden! Es ist noch nicht ganz fertig. Aber das hier ist Piana auf Korsika. Dort sind die Felsen ganz rot, wissen Sie, und das sieht zusammen mit dem blauen Meer wundervoll aus. Aber ich mag auch meine Wüstenlandschaft gern. Gefällt sie Ihnen nicht?»
    Sie führte ihn plaudernd immer weiter. Als sie das Ende der Terrasse erreicht hatten, sah sie auf ihre Armbanduhr.
    «Ich werde jetzt hinaufgehen und sehen, ob Alfred erwacht ist.»
    Als sie gegangen war, schlenderte Poirot über die Terrasse zurück und machte erst vor dem Toten Meer halt. Lange sah er interessiert darauf hinunter. Dann

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