Hercule Poirots Weihnachten
bückte er sich und ließ ein paar der Kieselsteinchen durch seine Finger rinnen. Plötzlich stutzte er. Er hielt die Steine dicht vor seine Augen. « Sapristi! » , sagte er. «Das ist allerdings eine Überraschung! Was zum Kuckuck bedeutet das?»
26. Dezember
C olonel Johnson und Sugden starrten Poirot ungläubig an. Der ließ kleine Kieselsteine sorgfältig in eine Schachtel rinnen und schob sie dann dem Colonel zu.
«Jawohl, es sind die Diamanten», sagte er abschließend.
«Und Sie fanden sie – wo? Im Garten?»
«In einem der kleinen Gärten, die Mrs Alfred Lee dort anlegt.»
«Mrs Alfred?» Sugden schüttelte den Kopf. «Kommt mir unwahrscheinlich vor.»
«Sie zweifeln daran, dass Mrs Alfred ihrem Schwiegervater die Kehle durchgeschnitten haben soll, nicht wahr?»
«Dass sie das nicht tat, wissen wir bereits», sagte Sugden schnell. «Ich meine, es ist nicht wahrscheinlich, dass sie die Diamanten gestohlen hat.»
«Nein, wie eine Diebin sieht sie allerdings nicht aus», gab Poirot zu. «Jemand anderer könnte sie dort versteckt haben. Denn in diesem besonderen Garten – er stellt das Tote Meer dar – liegen Kieselsteine von ähnlicher Größe und Form.»
«Glauben Sie, dass sie das bewusst so arrangierte, mit voller Absicht?», fragte Sugden.
Colonel Johnson meldete sich nun überzeugt und mit Wärme zu Wort.
«Das glaube ich nicht. Keine Sekunde lang. Warum sollte sie die Diamanten an sich genommen haben?»
«Nun, was den Grund anbelangt –», begann Sugden langsam, aber Poirot kam ihm zuvor.
«Auf diese Frage gibt es eine mögliche Antwort. Sie nahm die Diamanten an sich, um damit einen Mordgrund zu konstruieren. Das heißt: Sie wusste, dass ein Mord geplant war, obwohl sie selber nichts damit zu tun hatte.»
«Das klingt reichlich unglaubwürdig», widersprach Johnson. «Damit stempeln Sie sie zur Komplizin. Aber wessen Komplizin könnte sie sein? Doch nur diejenige ihres Mannes. Und da wir ja wissen, dass auch er nichts mit dem Mord zu tun haben kann, fällt Ihre Theorie endgültig ins Wasser.» Sugden fuhr sich nachdenklich übers Kinn.
«Jawohl», sagte er, «das stimmt. Wenn also Mrs Lee die Diamanten genommen hat – und das ist noch ein großes Wenn! –, dann liegt hier ganz einfach Diebstahl vor, und in diesem Fall könnte sie natürlich diesen kleinen Garten eigens dafür angelegt haben, die Steine vorläufig dort zu verstecken, bis der Tumult sich ein wenig legen würde. Eine andere Möglichkeit wäre auch ein zufälliges Zusammentreffen. Der Garten mit den ähnlichen Kieselsteinen könnte den Dieb angeregt haben, seine Beute dort zu verstecken.»
«Gewiss, das wäre sogar sehr gut möglich», pflichtete Poirot ihm bei. « -Einen Zufall bin ich immer bereit in Rechnung zu ziehen.»
Inspektor Sugden schüttelte den Kopf. «Mrs Lee ist eine sehr nette Frau. Es ist einfach unmöglich, dass sie in eine solche Affäre verwickelt ist. Wobei ich freilich zugeben muss, dass man so etwas nie wissen kann.»
«Mag nun bezüglich der Diamanten geschehen sein, was will – dass Mrs Lydia Lee irgendwie mit dem Mord in Zusammenhang stehen soll, ist meines Erachtens unmöglich. Der Butler sah sie im Wohnzimmer, als der Mord passierte.» Colonel Johnson sprach fest und sah Poirot herausfordernd an.
«Das habe ich nicht vergessen», sagte Poirot ruhig.
Der Colonel wandte sich wieder dem Inspektor zu. «Also fahren wir fort. Haben Sie etwas zu rapportieren? Etwas Neues geschehen?»
«Ja, Sir. Ich habe einige Auskünfte eingeholt. Zuerst über Horbury. Es gibt tatsächlich etwas in seinem Leben, weswegen er Angst vor der Polizei hat.»
«Aha! Diebstähle, wie?»
«Nein, Sir. Erpressung. Man konnte ihm allerdings nichts beweisen, aber ich vermute, dass er ein, zwei solche Sachen auf dem Kerbholz hat. Und weil ihn ein schlechtes Gewissen drückt, ist ihm der Schreck so mächtig in die Glieder gefahren, als Tressilian ihm vorgestern Abend sagte, ein Polizeiinspektor habe beim alten Herrn vorgesprochen.»
«Mhm», knurrte Johnson. «Soweit Horbury. Was sonst?» Der Inspektor hüstelte verlegen.
«Mrs George Lee, Sir. Wir haben Informationen eingeholt über ihr Leben, bevor sie mit Mr Lee verheiratet war. Lebte mit einem Kommandanten Jones zusammen. Galt als seine Tochter – war aber nicht seine Tochter. Und das gäbe ihr, abgesehen vom Geldmotiv, einen weiteren Grund zu morden. Vielleicht fürchtete sie, dass ihr Schwiegervater etwas Konkretes über sie wusste und es ihrem Mann
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