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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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Verlangen nach
    Gesundheit, vielleicht ein Bemühen darum aus. Man spürt dem
    Thema des Buches nach, vergleicht es mit »Lauscher«, mit
    »Demian«, mit den Tagebüchern der Mutter und findet dann, daß
    Hesse offenbar, als er den Roman schrieb, Zurückhaltung übte,
    sowohl aus Pietät wie aus einer Art Vorsicht der seelischen
    Ökonomie. Er bemüht sich um Stille und harmlosen Vordergrund;
    daß er dies aber benötigt, ist für den Lebensweg wichtig.
    Die hellsichtige innere Welt des »Lauscher« fehlt im Maulbronner
    Roman; sie ist zurückgedrängt zugunsten einer beruhigten
    Oberflächlichkeit. Gewiß, jene Welt meldet sich mitunter an: so wenn
    der Schüler Giebenrath plötzlich, mitten im Unterricht, vor Ermüdung
    und Überlastung in ein visionäres Halluzinieren versinkt; so wenn er,
    nach Verlassen des Seminars »Tage voll fruchtloser Klagen,
    sehnlicher Erinnerungen, trostloser Grübeleien« erlebt; wenn er im
    Stelldichein mit einer »gesunden und heiteren jungen Heilbronnerin«
    schamhafte Beklommenheit fühlt und wegläuft; wenn er, nach
    großäugigen Träumen, »durch ungeheure Räume stürzend« erwacht
    und Unglück und Verlust empfindet. Aber das ganze Unglück fällt
    doch den Lehrern zur Last, und es ist nicht recht ersichtlich, warum
    der Schüler das Landexamen als einer der Besten bestand und dann
    mit einem Mal versagte. »Es drängte und schrie nach mehr«, sagt
    der Dichter, »nach einer Erlösung seiner erwachten Sehnsucht oder

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    nach einem Führer durch die Rätsel, deren Lösung ihm allein zu
    schwer war.«
    Sie meldet sich an, die Lauscherwelt, sie möchte hervorkommen, wie
    sie im »Demian« später hervorkommt; aber der Dichter fürchtet
    diese Welt; sie könnte ihn zerreißen. Er will, da er »Unterm Rad«
    schreibt, lieber Giebenrath, das Talent, als Heilner, das Genie, sein.
    »Seine ganze Phantasie hatte sich in diesem schwülen, gefährlichen
    Dickicht verstrickt, irrte verzagend darin umher und wollte in
    hartnäckiger Selbstpeinigung nichts davon wissen, daß außerhalb
    des engen Zauberkreises schöne weite Räume licht und freundlich
    lagen.« Das trifft nicht nur auf den Seminaristen, das trifft ein wenig
    auch auf den in Gaienhofen lebenden Schriftsteller noch zu, der auf
    dem Bodensee Rudersport treibt, wie der Schüler Giebenrath das
    Angeln bevorzugt und wie der spätere Dichter Hesse sich dem Malen
    zuwendet.
    Angeln,
    Rudern
    und
    Malen:
    es
    sind
    Introvertitenbeschäftigungen; Sporte, die dem Heilen und den
    Heilnern dienlich sind.
    Der Bruch mit Tradition und Familie bei der Berufswahl hat in Hesse
    lange Zeit eine Wunde hinterlassen. Stets blieb er sich bewußt, daß
    dort, in der Maulbronner Erlebnisreihe, die eigentliche Entscheidung
    seines Lebens lag. Er versuchte immer wieder, das primäre Erlebnis
    zu
    gestalten
    und
    sich
    mit
    den
    damaligen
    Fakten
    auseinanderzusetzen. Es ist schwer zu sagen, ob dieser Abschnitt
    seines Lebens die letzte Gestaltung bereits erfahren hat, trotz
    »Demian«, der den Roman »Unterm Rad« annulliert; trotz
    »Siddhartha«, der den Konflikt mit dem Vater bereits ganz in die
    klare, legendäre Höhe einer harmonischen Ablösung vom heimischen
    Priestermilieu verlegt.
    In seinem »Kurzgefaßten Lebenslauf« (1925) sagt der Dichter von
    den Pesönlichkeitskämpfen jener Jahre, daß sie ihn »wider Willen, als
    ein furchtbares Unglück« umgaben; er deutet sie als ein
    hartnäckiges Kämpfen um sein ihm mit dreizehn Jahren bereits
    bewußt gewordenes Dichtertum. »Von meinem dreizehnten Jahr an
    war mir das eine klar, daß ich entweder ein Dichter oder gar nichts
    werden wolle. Zu dieser Klarheit kam aber allmählich eine andere
    peinliche Einsicht. Man konnte Lehrer, Pfarrer, Arzt, Handwerker,
    Kaufmann, Postbeamter werden, auch Musiker, auch Maler oder

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    Architekt, zu allen Berufen der Welt gab es einen Weg, gab es
    Vorbedingungen, gab es eine Schule, einen Unterricht für den
    Anfänger. Bloß für den Dichter gab es das nicht! Es war erlaubt und
    galt sogar für eine Ehre, ein Dichter zu sein. Ein Dichter zu werden
    aber, das war unmöglich; es werden zu wollen, war eine
    Lächerlichkeit und Schande, wie ich sehr bald erfuhr.«
    Der Konflikt war aber, ungeachtet dieser Deutung, reicher und
    prinzipieller. Der Knabe Hesse (»Chattus puer« nannte ihn sein
    Lateinlehrer in Göppingen), dieser Knabe Hesse war nicht nur
    Giebenrath, sondern auch Hermann Heilner, und also ein besonderer
    Knabe, von dem man gerne mehr wissen

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