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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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Segen
    brachte.« Ein Besuch aus Afrika bringt einen grauen Papageien, den
    von Hesse sehr verehrten »Polly«, mit.
    Dann das kritische Jahr 1892. Die Einleitung der Mutter zu diesem
    Jahr der ungezählten Aufregungen lautet: »Beim Rückblick muß ich
    gestehen, daß es eines der schwersten meines Lebens gewesen ist,
    und doch war Gottes Gnade und Treue groß über uns, und indem Er
    uns das schmerzhafte Kreuz auf legte, ließ Er uns seine
    allesvergütende, tröstende und herzbeseligende Liebe so erfahren,
    daß wir in Beugung und doch voll Hoffnung sprechen: Dein Wille
    geschehe.« Es ist das Jahr, in dem Hermann aus Maulbronn
    entwichen ist.
    Ich übergehe den eigentlichen Bericht der Mutter. Es ist ein
    schmerzlicher Bericht über einen verzweifelten Kampf des Knaben
    um seine Selbstbestimmung; ein Kampf, in dem Lehrer, Ärzte,
    Pfarrer und Anstaltsdirektoren gegen den Jungen aufmarschieren.
    Man bringt ihn zu Blumhardt nach Bad Boll, und Blumhardt ist weit
    über die schwäbischen Landesgrenzen hinaus ein Name des Gebets.
    Vater Blumhardt hat die Gottliebin Dittus geheilt und gilt als
    Wunderarzt und Dämonenvertreiber; Mörike war sein Patient.
    Blumhardt Sohn, der berühmte Sozialtheologe, den Eingeweihte
    noch über den Vater stellen, hat von dem letzteren die Gnadengabe
    geerbt und aus Bad Boll ein schwäbisches Jasnaja Poljana gemacht.
    Beide waren mit der Familie Gundert-Hesse befreundet und
    verkehrten gelegentlich im Haus. Der Zürcher Professor Ragaz hat
    noch jüngst mit einem vielleicht zu welthistorischen Akzent, aber mit
    wieviel frommer Anmut das Bild der beiden schwäbischen
    Dämonenstreiter entworfen. Für Ragaz sind die beiden Blumhardt
    nach den Aposteln und Luther die namhaftesten Begründer und
    Leuchten des Gottesreiches auf Erden.
    Die Blumhardt haben nun zwar die Gottliebin Dittus und den Dichter
    Mörike geheilt; von letzterem sagt man es wenigstens. Es gelingt
    ihnen aber nicht, den Dämon aus dem Sohne der Calwer
    Missionsfreunde zu vertreiben. Ist der Knabe besessen? Ist er es

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    nicht? Glaubt er vielleicht nur ebenfalls ein Reich Gottes in sich zu
    tragen und einen Paradiesestraum verwirklichen zu können? Mit viel
    Güte würde er gewiß zu gewinnen sein; er will nur erkannt und
    verstanden werden. Aber kein Gebet wird ihn erreichen, mit dem
    nicht die Geste des Betenden, seine Stimme, seine Hand, sein
    ganzes Tun und Lassen, sein verstehendes Herz vor allem in
    Einklang sind. Die beiden Gegner messen sich – und Blumhardt Sohn
    unterliegt. Es gelingt ihm nicht, den kommenden Dichter zu
    erkennen; es gelingt ihm nicht, dessen Seele zu durchdringen. Sein
    Gebet bleibt ohne Frucht. Er schimpft und wütet nur, als der junge
    Freund, den er erst liebevoll aufgenommen und freundlich zu sich
    geboten hatte, einem Schwermutsanfall zu erliegen droht.
    Die Mutter wird gerufen; sie kommt in höchster Bestürzung.
    Blumhardt poltert. Er dekretiert für eine Heilanstalt in Stetten,
    obgleich sogar die Ärzte dagegen sind. Es ist eine offenkundige
    Niederlage; der Exorzist ist gescheitert. Blumhardts Religiosität mag
    anderen Geistern helfen können; naiveren Gemütern. Sie vermochte
    den verzweifelt sich wehrenden »Chattus puer« nicht zu gewinnen,
    zu lösen, zu binden. Diese Religiosität kommt nicht aus einem
    Himmel, dessen Überlegenheit die gehetzte Knabenseele anerkennen
    und verehren könnte; der sie sich erschließen muß. Diese
    Frömmigkeit erreicht und durchdringt den Grund der Konflikte nicht;
    sie hat nicht jenes göttliche Wissen, das auch die menschlichen
    Dinge umfaßt.
    Freiwillig fügt sich der Jüngling in die ihn erleichternde Gartenarbeit
    unter Aufsicht eines sympathischen Direktors. Von dort ins
    Vaterhaus zurückgekehrt und abermals infolge heftiger häuslicher
    Aufregungen nach Stetten geschickt, bittet er von dort in Briefen, zur
    Erholung nach Basel reisen zu dürfen. Er wird in derselben
    Knabenanstalt aufgenommen, aus der er damals stumm und
    gedrückt zur Mutter zurückkam; gleichwohl tut ihm der Aufenthalt in
    der Nähe der Schützenmatte, bei Pfarrer Pfisterer gut. Der Pfarrer
    wendet sich an den Vater, der Sohn darf das Gymnasium besuchen,
    der Bann ist gebrochen.
    Die um diese Erlebnisse kreisende Traumbahn nun, die 1901 mit
    »Lauscher« beschritten wurde, wird im »Demian« fortgesetzt, um im
    »Steppenwolf« mit der Auflösung des eigenen Ich zu enden. Jemand,

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    der die Entstehung des »Demian« aus nächster Nähe miterlebt hat,
    vertraute mir,

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