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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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Novelle
    »Kinderseele«. Auch diese Strenge bleibt für das Kind nur ein Rätsel;
    denn eine Belehrung über die Tücke der phantastischen Instinkte,
    über jenes neugierige Forschen und Eindringen in die
    Elterngeheimnisse würde schon die Scham verletzen; überdies ist
    Hesse einer der ersten Dichter, die diese Welt überhaupt zugänglich
    machten. In Kornthal, wo die Mutter erzogen ist, pflegte man an
    Jubiläen zu singen:
    Ach, ich bin viel zu wenig,
    Zu preisen Gottes Ehr;
    Er ist der ew'ge König,
    Ich bin von gestern her.
    Das ist kaum ein Spruch für Dichter, die sich berufen fühlen, gar
    sehr Gottes Lob und Preis in der Natur zu singen. Und wie mag man
    an Buß- und Bettagen gesungen haben, wenn schon die Freudentage
    eine so niederdrückende Bußkraft atmen? Im Vaterhaus selbst sang
    man an den Geburtstagen:
    Ist's auch eine Freude,
    Mensch geboren sein?
    Darf ich mich auch heute
    Meines Lebens freun?

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    Auf solche Voraussetzungen bezieht sich die gelegentliche Äußerung
    des Dichters, wenn er sagt: »Fromm war ich nur bis etwa zum
    dreizehnten Jahr (bis zur Erkenntnis des Dichterberufes). Bei meiner
    Konfirmation, mit vierzehn Jahren, war ich schon ziemlich skeptisch,
    und bald darauf begann mein Denken und meine Phantasie ganz
    weltlich zu werden, ich empfand, trotz großer Liebe und Verehrung
    für sie, doch die Art von pietistischer Frömmigkeit, in der meine
    Eltern lebten, als etwas Ungenügendes, irgendwie Subalternes, auch
    Geschmackloses und revoltierte im Beginn der Jünglingsjahre heftig
    dagegen.«
    Erziehung und Selbsterziehung nehmen in Hesses Büchern einen
    breiten Raum ein. Im »Camenzind« befürwortet er das ländliche und
    geistige Idyll, »Nimikon« und Assisi, gegenüber den Verwirrungen
    des Intellekts; gegenüber den modischen Zerrissenheiten der
    Großstadt und einer futilen Geselligkeit. Im »Demian« ist es die
    Erziehung durch Freund und Frau; ist es die Aufhebung der »Moral«
    zugunsten einer verdrängten inneren Welt. Der Mensch trägt Ur- und
    Vorwelt in sich, aber tief verschüttet. Sie sollen zutage gefördert,
    sollen empfunden werden. Dann erst kann, nach dem Dichter,
    fruchtbare Bildung beginnen.
    Der »Siddhartha« vollends ist die Apotheose der Selbsterziehung.
    Der Priestersohn, der dort im Mittelpunkte steht, verläßt ein
    Brahmanenhaus
    mit
    all
    dessen
    mehr
    pflicht-
    und
    gewohnheitsmäßigen als lebensnahen Waschungen und Riten. Er
    verläßt auch die ihm in Fleisch und Blut übergegangenen längst
    geläufigen Übungen der Mönche und begibt sich in die Schule eines
    Kaufmanns und einer Kurtisane. Er will die Erstarrung brechen, die
    ihm das Vaterhaus anerzogen hat. Nicht einmal dem berühmten
    Gautamo Buddha mag er folgen. Das Leben soll neu und von vorn
    beginnen. Mit allen Schmerzen und Enttäuschungen will Siddhartha
    es erst erfahren, aber selbst erfahren, ehe er seinerseits zum
    Erleuchteten wird und eine Lehre aufstellt, die keine Lehre mehr ist,
    die keinen Gehorsam mehr verlangt.
    Und noch der »Steppenwolf«, Hesses jüngstes Buch, ist ein
    Erziehungsroman. Der fünfzigjährige Dichter kennt das Erbe seiner
    Herkunft wohl; doch er kennt auch die Mitgift seiner Nation. Er
    begibt sich in die mütterliche Erziehung eines Mädchens, dessen

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    Name wie das Feminin seines eigenen Vornamens klingt. Und da er
    die stärksten Kontraste aufsuchen muß, um seine harte und
    ausfällige innere Kontur zu lösen, so begibt er sich in die Schule
    einer Tänzerin und eines Saxophonbläsers. Oh, er kennt auch die
    Schule des alten Goethe und des ewig jungen Mozart. Immer aber
    begibt er sich noch in die Jugendschule, treibt er noch
    Selbsterziehung. Er möchte harmlos und ein Mann seiner Zeit sein;
    möchte sich nicht um das Leben betrogen fühlen. Dieses Leben ist
    ihm keineswegs ein Genuß; es ist ihm eher widerlich. Dieses Leben
    aber ist das Material, das zu seinem Metier gehört. Es ist diejenige
    Macht, die er meistern und ins Gleichgewicht setzen, die er
    aufdecken und befreien, die er zum Vorbild sublimieren, die er aber,
    um all dem entsprechen zu können, in die tiefste, wie immer
    gequälte Seele aufnehmen muß, ehe er aussagen kann.
    Es ist eine eigene Sache mit der Selbsterziehung. Sie sollte nicht
    nötig sein. Thomas Mann hat in Paris beobachtet, daß die namhaften
    Franzosen meist als Musterschüler gelten können und solche
    gewesen sind. Ich weiß nicht, ob die Schule dort besser ist als in
    Deutschland; es scheint fast so. Es könnte sein,

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