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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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hierin löst Nietzsche den versöhnlicheren Goethe ab; fürs erste

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    wenigstens. Hesse vertritt einen leidenschaftlich zum Kult
    gesteigerten Ästhetizismus. »Hatte ich nicht zuweilen an meinem
    Stern gezweifelt, sagt Lauscher, und war geneigt, einigen
    landläufigen Angriffen gegen die ästhetische Weltanschauung recht
    zu geben? Ich weiß nun, daß meine Religion kein Aberglaube ist, daß
    es sich lohnt, alle körperlichen und geistigen Dinge nur in ihren
    Beziehungen zur Schönheit zu betrachten, und daß diese Religion
    Erhebungen schenken kann, die an Reinheit und Seligkeit denen der
    Märtyrer und Heiligen nicht nachstehen.« Eine interessante
    Äußerung; denn sie zeigt, daß die Welt der Goethe und Nietzsche,
    daß Ästhetizismus und Lebensart mit einer dritten Welt in Konflikt
    geraten sind. Von Heiligen war schon einmal, weiter oben, die Rede.
    Hesse hat den Sabatier und Bernoullis 1900 erschienenes Buch »Die
    Heiligen der Merowinger« gelesen. Vielleicht kennt er auch des
    Pietisten Arnold »Leben der Altväter und anderer gottseliger
    Personen« schon; desselben Arnold übrigens, von dessen
    »Ketzerhistorie« sich Goethe in den Katholizismus einführen ließ.
    Und nun entscheidet sich Hesse dieser ihm neuen Welt gegenüber
    völlig anders als seine beiden humanistischen Lehrer. Zwar findet er
    einstweilen noch, daß diese wahrhaft Frommen »für uns Ästheten die
    einzigen würdigen Feinde« sind. Warum? Weil sie allein »ebenso tief
    wie wir die Abgründe des täglichen Lebens, das Leiden unter der
    Gemeinheit, das Auf-Knien-Liegen vor dem Ideal; die Ehrfurcht vor
    der Wahrheit und die schonungslose Konsequenz des Glaubens«
    kennen. Den Nietzscheschen Gegensatz von Christ und Ästhet, von
    Kreuz und Thyrsos, von Frömmigkeit und Schönheit teilt er also;
    aber er sieht im frommen Gegenüber doch den Ebenbürtigen auf
    einer anderen Linie. »Seit dem Untergang der Antike sind immer
    diese beiden Wege über das Gemeine hinausgegangen, denn nach
    meinem Gefühl ließen sich die Wege der Ästheten und der Christen
    durchaus auch in der Geschichte der Philosophie nachweisen.«
    Dank Sabatiers freierer Darstellung, und wohl auch dank der
    Legende, der Dichtung, mag Hesse den Heiligen gegenüber weder
    die indifferente Haltung Johann Wolfgangs teilen, noch jene völlig
    intolerante Nietzsches, der hier nur Schauder und Grauen empfindet.
    Auf seiner ersten Italienreise (1901) sieht Hesse die Toscana fast
    völlig mit franziskanischen Augen; in Ravenna und Venedig befällt

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    ihn ein orientalisches Staunen vor den Asketengestalten der
    byzantinischen Kunst. Im »Camenzind« belebt er Umbrien und
    Assisi, ohne daß er noch dort gewesen wäre, während Goethe, als er
    nach Assisi kommt, nur den Vitruv und den Palladio im Kopfe hat.
    Der Name des heiligen Franziskus ist auffällig in Hesses frühen
    Büchern. Auch in seiner Schreibweise, in seiner persönlichen
    Schlichtheit, in seiner verhohlenen Symbolkraft mag man den Einfluß
    des Poverello erblicken. Hesse hat seinem Vorzugsheiligen 1904
    (entweder noch in Basel oder gleich in Gaienhofen) ein eigenes
    Büchlein gewidmet. Er hat zwar auch den Boccaccio so bedacht, und
    doch hebt das eine das andere nicht auf. Franziskus ist der Herold
    des großen Königs. Er kommt, da er noch ein Dandy war, aus der
    Schule der Troubadouren und schreibt ihren dolce stil nuovo, auf den
    sich auch Hesse versteht. Franziskus ist in seinem (italienischen)
    Sonnengesang ein Vokalalchimist, wie es bis zu Mallarmé und
    Ungaretti keinen zweiten mehr gegeben hat.
    Aber er ist, und für Hesse besonders, noch vieles andere. Er ist der
    Schutzpatron der Goldammern und der braunen Hasen auf dem
    Felde; der verunglückten Knulpleute und vielleicht sogar der Wölfe
    auf dem Alverno. In Franziskus lebt für Hesse nicht zuletzt die
    Brüdergemeinde seines Vaterhauses weiter. Dem »Camenzind« ist
    zu entnehmen, daß der Dichter sich eine Zeitlang sogar damit trug,
    eine »Geschichte der Minoriten« zu schreiben. Es ist dies heute eine
    Reminiszenz an Basler Geschichtsstudien, aber sie zeigt doch, wie
    tief der junge Hesse in das hagiographische Gebiet eindrang. Zu
    denselben Studien gehört auch die Lektüre des Cäsarius von
    Heisterbach und der »Gesta Romanorum«.
    Gegen das Ende seines Basler Aufenthaltes befindet sich Hesse auf
    dem Weg einer Verbrückung der protestantisch-katholischen
    Gegensätze. Der Ausgleich liegt im romantischen Ideal. Die
    Romantiker kamen ja zum großen

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