Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk
Manne mit dem
Wunderkrug. Ihr sind außer den Prosasätzen im »Lauscher« und im
»Camenzind« einige der schönsten Verse aus seinen 1902 bei Grote
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erschienenen »Gedichten« gewidmet. Im »Buch der Liebe« stehen
sie, gleich obenan.
Wie
eine
weiße
Wolke
Am hohen Himmel steht,
So weiß und schön und ferne
Bist du, Elisabeth.
Die Wolke geht und wandert,
Kaum hast du ihrer acht,
Und doch durch deine Träume
Geht sie in dunkler Nacht.
Geht und erglänzt so silbern,
Daß
fortan
ohne
Rast
Du nach der weißen Wolke
Ein süßes Heimweh hast.
Der »Camenzind« enthält auch die Geschichte dieser weißen Wolke,
die ursprünglich einem Bilde des Malers Segantini entflogen ist. Und
hier wäre nun ein ganzes Kapitel über die Wolken in Hesses Büchern
zu schreiben; aber ich muß das leider einem Philologen überlassen.
In Basel wird zunächst der »Hermann Lauscher« beendet, der 1901
erscheint, und es wird ersichtlich, daß Hesse sich, auch um das
Büchlein zu schließen, in die Missionsstadt gemeldet hat. Von den
drei Teilen habe ich die »Kindheit« schon früher, die »Tübinger
Erinnerung« im vorigen Kapitel erwähnt. Der dritte, in Basel
geschriebene Abschnitt ist eine tagebuchartige Folge von sehr
zerbrechlichen Aufzeichnungen. Hesse beschäftigt sich vorzüglich mit
romantischer Poesie. Tiecks »Sternbald«, Hoffmanns »Brambilla«,
die Hymnen des Novalis und der »Ofterdingen«, auch Keller und
Heine werden genannt. Von Philosophen hat er Nietzsche (den
»Zarathustra« schon in Tübingen) gelesen und spürt seinen Quellen
und Lehrern nach.
Hier in Basel hat ja der fünfundzwanzigjährige Nietzsche, der ebenso
wie Hesse aus einem frommen Protestantenhause und von der
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romantischen Schule herkam –, hier hat ja der Dichter des Prinzen
Vogelfrei den Homer und den Pindar erklärt. Hier war er in
Freundschaft mit Jacob Burckhardt verbunden. Von hier reiste er –
und Hesse folgt ihm verehrend – nach Tribschen hinüber, um Frau
Cosima die »Unzeitgemäßen Betrachtungen« vorzulegen. Hier in
Basel schrieb er die »Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
Musik«, dies übersensitive und doch unheimlich diesseitige Buch
eines Ekstatikers, der morgen zum Narren werden, eines fliegenden
Henoch, den morgen ein Katzenjammer aus allen Sternen
herabstürzen kann.
Vergleicht man den »Lauscher« mit den Frühwerken des
Naumburgers, so ergeben sich interessante Parallelen. Ähnlich wie
bei Nietzsche auf die romantischen Rauschzustände derbere
Einsichten folgen, so klingt bereits bei Hesse manch skeptischer
Passus an. Bald schon, und ehe man noch davon vernommen hat,
wird der »Camenzind« die morbide Schwermut eines Spätgeborenen,
die leichenhafte Herbstlichkeit des jungen Dichters durchbrechen.
Hier wie dort mahnt eine robustere Stimme, über der Verzärtelung
des Empfindens die leicht lügenden Instinkte nicht zu vergessen. Sie
führen zu dekorativen Gefühlen, zur seelischen Ausflucht; zu
maßlosen Ohrenschmäusen und musikalischen Zechgelagen; man
verinnerlicht Appetite, die sich gefährlich und überraschend können
nach außen wenden.
Heine schon und der ältere Goethe traten dem Mißwesen und irren
Geschwärme mit allen Mitteln der Ironie entgegen. Sie betonten das
Handwerk, das Zeichnen, die schöne Gestalt. Sie suchten das
einzelne aufzustöbern; sie suchten Genauigkeit. Eine ähnliche
Skepsis lernt Hesse in Basel. Gerade vor Nietzsche konnte man
Anlaß nehmen, über den Takt des entfesselten Herzens
nachzudenken. In solchem Nachdenken mag die Erklärung liegen,
weshalb zwei der Zeit nach einander so nahe Bücher wie »Lauscher«
und »Camenzind« doch ihrem ganzen Gepräge nach voneinander
verschieden sind.
Der »Lauscher« in seinem Basler Teil ist durchaus ein Bekenntnis zu
Unmut und Traurigkeit; zu versunken schluchzenden Tönen. Er
gehört einer Generation an, die sich wehklagend nach rückwärts
wendet, den Anfängen der Seele zu. Er enthält Worte, die ebenso
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vom jungen Nietzsche, von Hoffmannsthal oder George, von
Maeterlinck oder Trakl könnten geschrieben sein. Auch der
Gegensatz
von
dionysischer
Sturmflut
und
apollinischer
Bemeisterung, der Gegensatz von aufgewühlter dunkler Unterwelt
und leichter Verlorenheit an Lektüre, an Landschaft und Alltag –:
auch dieser Gegensatz ist sehr vorhanden.
»O diese Seele«, sagt Lauscher, »dieses schöne, dunkle, heimatliche,
gefährliche Meer! Während ich ihre
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