Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
Vom Netzwerk:
Manne mit dem
    Wunderkrug. Ihr sind außer den Prosasätzen im »Lauscher« und im
    »Camenzind« einige der schönsten Verse aus seinen 1902 bei Grote

    65
    erschienenen »Gedichten« gewidmet. Im »Buch der Liebe« stehen
    sie, gleich obenan.
    Wie
    eine
    weiße
    Wolke
    Am hohen Himmel steht,
    So weiß und schön und ferne
    Bist du, Elisabeth.
    Die Wolke geht und wandert,
    Kaum hast du ihrer acht,
    Und doch durch deine Träume
    Geht sie in dunkler Nacht.
    Geht und erglänzt so silbern,
    Daß
    fortan
    ohne
    Rast
    Du nach der weißen Wolke
    Ein süßes Heimweh hast.
    Der »Camenzind« enthält auch die Geschichte dieser weißen Wolke,
    die ursprünglich einem Bilde des Malers Segantini entflogen ist. Und
    hier wäre nun ein ganzes Kapitel über die Wolken in Hesses Büchern
    zu schreiben; aber ich muß das leider einem Philologen überlassen.
    In Basel wird zunächst der »Hermann Lauscher« beendet, der 1901
    erscheint, und es wird ersichtlich, daß Hesse sich, auch um das
    Büchlein zu schließen, in die Missionsstadt gemeldet hat. Von den
    drei Teilen habe ich die »Kindheit« schon früher, die »Tübinger
    Erinnerung« im vorigen Kapitel erwähnt. Der dritte, in Basel
    geschriebene Abschnitt ist eine tagebuchartige Folge von sehr
    zerbrechlichen Aufzeichnungen. Hesse beschäftigt sich vorzüglich mit
    romantischer Poesie. Tiecks »Sternbald«, Hoffmanns »Brambilla«,
    die Hymnen des Novalis und der »Ofterdingen«, auch Keller und
    Heine werden genannt. Von Philosophen hat er Nietzsche (den
    »Zarathustra« schon in Tübingen) gelesen und spürt seinen Quellen
    und Lehrern nach.
    Hier in Basel hat ja der fünfundzwanzigjährige Nietzsche, der ebenso
    wie Hesse aus einem frommen Protestantenhause und von der

    66
    romantischen Schule herkam –, hier hat ja der Dichter des Prinzen
    Vogelfrei den Homer und den Pindar erklärt. Hier war er in
    Freundschaft mit Jacob Burckhardt verbunden. Von hier reiste er –
    und Hesse folgt ihm verehrend – nach Tribschen hinüber, um Frau
    Cosima die »Unzeitgemäßen Betrachtungen« vorzulegen. Hier in
    Basel schrieb er die »Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
    Musik«, dies übersensitive und doch unheimlich diesseitige Buch
    eines Ekstatikers, der morgen zum Narren werden, eines fliegenden
    Henoch, den morgen ein Katzenjammer aus allen Sternen
    herabstürzen kann.
    Vergleicht man den »Lauscher« mit den Frühwerken des
    Naumburgers, so ergeben sich interessante Parallelen. Ähnlich wie
    bei Nietzsche auf die romantischen Rauschzustände derbere
    Einsichten folgen, so klingt bereits bei Hesse manch skeptischer
    Passus an. Bald schon, und ehe man noch davon vernommen hat,
    wird der »Camenzind« die morbide Schwermut eines Spätgeborenen,
    die leichenhafte Herbstlichkeit des jungen Dichters durchbrechen.
    Hier wie dort mahnt eine robustere Stimme, über der Verzärtelung
    des Empfindens die leicht lügenden Instinkte nicht zu vergessen. Sie
    führen zu dekorativen Gefühlen, zur seelischen Ausflucht; zu
    maßlosen Ohrenschmäusen und musikalischen Zechgelagen; man
    verinnerlicht Appetite, die sich gefährlich und überraschend können
    nach außen wenden.
    Heine schon und der ältere Goethe traten dem Mißwesen und irren
    Geschwärme mit allen Mitteln der Ironie entgegen. Sie betonten das
    Handwerk, das Zeichnen, die schöne Gestalt. Sie suchten das
    einzelne aufzustöbern; sie suchten Genauigkeit. Eine ähnliche
    Skepsis lernt Hesse in Basel. Gerade vor Nietzsche konnte man
    Anlaß nehmen, über den Takt des entfesselten Herzens
    nachzudenken. In solchem Nachdenken mag die Erklärung liegen,
    weshalb zwei der Zeit nach einander so nahe Bücher wie »Lauscher«
    und »Camenzind« doch ihrem ganzen Gepräge nach voneinander
    verschieden sind.
    Der »Lauscher« in seinem Basler Teil ist durchaus ein Bekenntnis zu
    Unmut und Traurigkeit; zu versunken schluchzenden Tönen. Er
    gehört einer Generation an, die sich wehklagend nach rückwärts
    wendet, den Anfängen der Seele zu. Er enthält Worte, die ebenso

    67
    vom jungen Nietzsche, von Hoffmannsthal oder George, von
    Maeterlinck oder Trakl könnten geschrieben sein. Auch der
    Gegensatz
    von
    dionysischer
    Sturmflut
    und
    apollinischer
    Bemeisterung, der Gegensatz von aufgewühlter dunkler Unterwelt
    und leichter Verlorenheit an Lektüre, an Landschaft und Alltag –:
    auch dieser Gegensatz ist sehr vorhanden.
    »O diese Seele«, sagt Lauscher, »dieses schöne, dunkle, heimatliche,
    gefährliche Meer! Während ich ihre

Weitere Kostenlose Bücher