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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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wäre; denn schon ist in »Gertrud«
    auch der Weg zu einer noch entschlosseneren Einsamkeit und
    Arbeitswut als falsch erkannt.
    Erst mit dem Erlebnis des Krieges tritt der Dichter »über die Schwelle
    der Einweihung ins Leben«. Der Freund, der ihm in vielen Stücken
    dazu verhalf, war eben der erwähnte Arzt. Man darf sich unter dem
    intensiven Austausch der beiden Männer keine eigentliche
    »Behandlung« vorstellen. Nichts wäre verkehrter. Hesse vermag
    schon in der »Gertrud«-Zeit sehr wohl dem Arzte selber eine
    Diagnose zu stellen. Er war seinem Luzerner Widerpart in der
    Dialektik und der sprachlichen Formulierung ohne Zweifel überlegen.
    Auch waren oder blieben ihm jetzt die Schriften der führenden
    Analytiker (Freud, Jung, Bleuler, Stekel) nicht mehr fremd; gerade
    die Schweiz war inzwischen zu einem Zentrum der neuen
    psychiatrischen Theorien geworden.
    Was Dr. Lang ihm brachte, war, vom medizinischen Wissen ganz
    unabhängig, ein lebendiger Aufschluß; war zum erstenmal eine
    aktuelle, phantastische Philosophie und Lebensform. Vor allem aber
    war es, entsprechend der katholischen Herkunft des Arztes, eine

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    strikte Verwerfung der Selbstabsolution. Nicht umsonst hatte dieser
    Freund die Benediktinerschule in Einsiedeln besucht. Wenn er dort
    auch, gleich Hesse in Maulbronn, nicht eben als Musterschüler
    bestanden hatte, so war doch, was ihn zur Psychoanalyse geführt,
    ein grundkatholischer Glaubenssatz: die Überzeugung nämlich, daß
    der einzelne für alle Vorkommnisse des äußeren Lebens die
    Erklärung und Verschuldung in sich selber trage.
    Im übrigen war der junge Arzt, wie es der Analytiker sein muß, aber
    wohl selten ist, völlig ohne private Voreingenommenheit, ohne
    persönliches Interesse; bereit, bis zur Selbstverleugnung die
    schweren Stauungen seines Patienten zu entfesseln. Er war der
    geborene Arzt für jene Symptome, die der Fachmann unter dem
    Begriff der »Zwangsneurose« zusammenfaßt; Symptome, die man
    durch ein Aufspüren und Zutagefördern der ursprünglichen, aber
    verdrängten oder verhohlenen Anlage zu beseitigen sucht. Hesse
    hinwiederum trug, von früher Kindheit her, eine religiöse Symbolwelt
    in sich, die, allzu lange vor einer argwöhnischen und frostigen
    Umgebung verborgen, ihrer Auswirkung harrte. Vor allem mußte es
    dem Arzte wichtig sein, die Erstarrung und Vereinsamung seines
    Freundes zu lösen. Viel war gewonnen, wenn es gelang, die
    konventionelle Kruste zu sprengen, die schreckenden Traumbilder
    aufzunehmen und sie an traditionelle Symbolreihen anzuschließen.
    Die Kladde des Arztes verzeichnet im Mai 1916 zwölf analytische
    Sitzungen, teils auf Sonnmatt, teils in der Luzerner Wohnung. Anfang
    Juni bereits verläßt der Dichter das Sanatorium und begibt sich
    wieder nach Bern, wiederholt aber in der Folge öfters seine Besuche,
    die jeweils etwa drei Stunden währen. Im ganzen verzeichnet das
    Merkbuch noch etwa sechzig Sitzungen, die sich vom Juni 1916 bis
    November 1917 erstrecken. Die Frucht dieser Unterhaltungen sind
    teilweise Hesses »Märchen« und völlig der »Demian«; der letztere
    entstand 1917 vehement, wie übrigens fast alle Schriften des
    Dichters. In wenigen brennenden Monaten war das Buch
    niedergeschrieben.
    Man wird nun in der Gestalt des Pistorius aus dem »Demian« leicht
    den ärztlichen Freund erkennen; und doch gibt dieser Pistorius keine
    getreue Kopie. Das Urbild hat gar keine musikalische Neigung,
    dagegen eine sehr starke zur Malerei. Wenn man die Rollen einmal

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    vertauschen will, so könnte man sagen: des Dichters Patient, der
    Luzerner Arzt, ist es, von dem es im »Klingsor« (1919) heißt: »Ich
    male Krokodile und Seesterne, Drachen und Purpurschlangen, und
    alles im Werden, alles in der Wandlung, voll Sehnsucht, Mensch zu
    werden; voll Sehnsucht, Stern zu werden; voll Sehnsucht nach
    Verwesung, voll Gott und Tod«. Die untersten Schichten der
    Phantasie sucht diese Malerei zu erfassen: urweltliche Landschaften;
    seltsame hieratische Tiere; längst vergessene und ganz neue
    Symbole, in die sich beschwörende Schriftzeichen mengen. Der
    Pistorius der Wirklichkeit ist ein wahres Kind an üppig wuchernder
    Phantasie; durchaus kein Antiquar. Er trinkt auch nicht, wie man
    meinen könnte; sondern liebt seinen Luzerner Pilatus, und ebenso
    den andern, den biblischen.
    Auch literarisch versucht sich dieser merkwürdige Arzt, und ich kann
    es mir nicht versagen, einige seiner Sätze aus der »Demian«-Zeit
    hier

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