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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Oberarm ein. »Hey! Was bist denn du für eine Freundin?«
    Vielleicht lag es an ihrem Gespräch, jedenfalls wachte Jason auf, holte ein paar Mal entrüstet Luft und begann zu quäken. Brenda nahm ihn aus der Wiege. »Er hat Hunger, schätze ich.« Sie sah ihn verliebt an. »So lange her, hmm? Muss deine Mama auch so lange fortfahren, bis zu diesem Flughafen, so weit weg?«
    Babysprache. Charlotte musste grinsen: Was so ein Baby in erwachsenen Menschen auslöste! Brenda machte es sich mit ihrem Sohn in dem alten Korbsessel am Fenster bequem, um ihn zu stillen. Charlotte ließ die beiden allein und ging in die Küche.
    Mrs Gilliam war dabei, Kaffee zu machen. Wie ihr Flug gewesen sei, wollte sie wissen.
    »Gut«, sagte Charlotte. Auf dem Küchentisch stand ein wunderbarer englischer Früchtekuchen, der in diese Jahreszeit passte wie nichts sonst. »Ein paar Wackler am Anfang, aber danachalles ruhig. Der Sitz neben mir ist frei geblieben, das war angenehm.«
    »Ja«, meinte Mrs Gilliam und stellte ihr eine Tasse hin. »Man hat so wenig Platz in diesen Maschinen heutzutage, nicht wahr?«
    Als sich Charlotte setzte, entdeckte sie ein paar Lehrbücher für Spanisch auf dem Fensterbrett. Wer denn hier Spanisch lerne, erkundigte sie sich.
    »Das bin ich«, sagte Thomas, der gerade zur Tür hereingekommen war. Er hatte allerlei Dinge, die nach Baby-Versorgung aussahen, ins Auto geladen. »Ich hab eine Einladung an die Universität von Buenos Aires, für eine kleine Vortragsreihe. Nächstes Jahr im Mai.«
    »Auf Spanisch?«, wunderte sich Charlotte.
    »Nein, die Vorträge halte ich natürlich auf Englisch, ich bin ja nicht größenwahnsinnig. Aber ich will auch ein bisschen was von der Stadt sehen, verstehen, was die Leute reden …« Er zuckte mit den Schultern. »Kann nicht schaden, denke ich.«
    Charlotte schlug eines der Bücher auf. Es war voller Anmerkungen, bunter Unterstreichungen und so weiter. Er arbeitete also ernsthaft daran. Nun, warum nicht? Er sprach Arabisch, Türkisch und Persisch, da würde ihm Spanisch auch keine Probleme bereiten.
    »Und worum wird es gehen?«, fragte sie. »Paläoanthropologie?«
    Er grinste. »Natürlich nicht. Da ist in Südamerika ja nicht viel zu holen.« Nach der klassischen Theorie hatten Menschen den südamerikanischen Kontinent zum ersten Mal vor nicht mehr als fünfzehn- bis zwanzigtausend Jahren betreten. »Nein, sie wollen dort jetzt verstärkt die alten indianischen Kulturen erforschen. Es geht um moderne Grabungstechniken.«
    »Schön«, meinte Charlotte und widmete sich der Aufgabe, den Zucker in ihrer Kaffeetasse umzurühren.
    Er musterte sie von der Seite. »Irre ich mich, oder ist das alles kein Thema mehr für dich? Frühgeschichte abgehakt?«
    Sie sah nicht auf. »Im Moment zumindest.«
    »Und was machst du stattdessen?«
    »Nichts.« Das stimmte, im Grunde tat sie nichts. Sie verbrachte ihre Tage damit, durch Museen und Antiquitätenläden zu streifen, interessierte Männerblicke zu ignorieren, Annäherungsversuche abzuweisen und ansonsten den Alltag zu bewältigen: einkaufen, kochen, essen, schlafen. Sie saß viel in Parks, wenn es das Wetter erlaubte, oder fuhr ganz raus aus der Stadt, irgendwohin, wo es unverbaute Natur gab. Und irgendwie verging die Zeit dabei. Drei Jahre schon, wie nichts. Ab und zu überlegte sie sich, etwas zu arbeiten. Aber was? »Ich versuche, das Leben zu genießen.«
    »Das klingt nicht, als ob es gelänge.«
    »Kann ja noch kommen.«
    Brenda kam herein, den nun hellwachen und zufriedenen Jason auf der Schulter. »Und?«, wollte sie wissen. »Hat Tom dich schon über Buenos Aires ausgefragt? Er will uns hier sitzen lassen, volle sechs Wochen, stell dir vor.«
    Charlotte lächelte schmerzlich. Steckte das dahinter? Flüchtete Thomas vor der Familie auf Vortragsreisen, wie ihr Vater in seine Arbeit geflüchtet war? »Buenos Aires … Das ist lange her. Ich weiß nicht, ob noch irgendwas von dem, was ich erzählen könnte, aktuell ist.«
    Beim Abendessen erzählte sie dann doch von Buenos Aires. Dass man dort mehr oder weniger ständig von melancholischen Tango-Klängen umgeben lebte und nicht selten Leute in Massen auf öffentlichen Plätzen tanzten, einfach so. Dass die Sommer unerträglich schwül sein konnten und im Haus dauernd irgendetwas kaputt gewesen war, mal der Kühlschrank, mal die Klimaanlage, mal der Wasserboiler oder das Telefon. Dass die Argentinier sehr freundlich waren, aber der Versuchung, Ausländer übers Ohr zu hauen, oft

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