Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
anbelangt, ein Genie. Leider ist er aber auch ein extremer Einzelgänger. Ich bin seinerzeit auf ihn zugegangen, habe versucht, ihn zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, zur Mitarbeit an dem Strategiepapier Roboter 21, das Sie sicher kennen …«
»Adamsons Robotergesetze.« Die Direktorin nickte.
Er lächelte geschmeichelt. »Nun, das ist etwas übertrieben. Keine Ahnung, wie sich dieser Begriff eingebürgert hat …«
Natürlich wusste er es ganz genau. Er hatte sich ziemlich ins Zeug legen müssen. Ein Lehrbeispiel für gelungene Selbstpromotion, in aller Bescheidenheit.
»Was Kato anbelangt«, fuhr er fort, »war nichts zu machen. Ich habe sogar –« Er zögerte. »Kurz nachdem Kato mich brüsk abgewiesen hat, wurde ich zum Gutachter für sein Studienprojekt berufen. Ich hielt es damals für angebracht zu empfehlen, es abzulehnen. Nicht aus sachlichen Gründen, sondern weil ich gehofft habe, ihm danach sozusagen einen Deal anbieten zu können. Ich wollte ihn aus diesem Einzelkämpfertum herausholen, verstehen Sie? Zugegeben, moralisch war das etwas fragwürdig, aber ich hielt es durch die gute Absicht für gerechtfertigt … Leider ist er quasi am selben Tag verschwunden. Und mir gefällt der Gedanke nicht, dass er seither für eine fremde Macht tätig sein könnte.«
Mrs Jacobs studierte das Blatt, auf dem er zusammengetragen hatte, was er über Hiroshi Kato in Erfahrung hatte bringen können. »Was schlagen Sie vor?«, wollte sie wissen.
»Nach ihm suchen zu lassen. Und ihn dazu zu bringen, für die Vereinigten Staaten zu arbeiten.« Sie ging doch regelmäßig mit dem CIA-Chef mittagessen. Es kostete sie nur ein paar Worte und ein Lächeln.
Ihr Gesicht verriet nicht, was sie davon hielt. »Ich werde darübernachdenken«, erklärte sie schließlich und stand auf. Klares Zeichen, dass seine fünf Minuten um waren.
»Danke«, sagte Bill Adamson. Immerhin. Fünf Minuten mehr, als ihm ihr Vorgänger eingeräumt hatte.
Zurück in seinem Büro ging er die Mappe Hiroshi Kato noch einmal durch. Wie oft hatte er diese Papiere schon betrachtet? Vielleicht hatten die, die behaupteten, er sei von dem Japaner wie besessen, gar nicht so unrecht.
Und wenn schon? Alle großen Männer in der Geschichte waren auf ihre Art Besessene gewesen. Anders erreichte man nichts. Ohne Besessenheit reichte es nur für ein gewöhnliches Leben.
Da, Hiroshis Projektantrag. Und der Antrag auf Erweiterung. Wenn er die Beschreibungen las und Hiroshis Begründungen dazu, war ihm sonnenklar, dass er hier nur einen Ausschnitt aus einem Puzzle vor sich hatte, von dem er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie es in Gänze aussah.
Aber er hätte es gerne gewusst! Und er hätte jeden Betrag darauf verwettet, dass Hiroshi mit diesem Studienprojekt nur Vorarbeiten für etwas Größeres, etwas wahrhaft Atemberaubendes hatte leisten wollen. Doch was? Das war es, was Bill Adamson wissen wollte, mehr als alles andere auf der Welt.
Und er würde es herausfinden. Eines Tages würde er das ganze Bild sehen, koste es, was es wolle.
Gary war romantisch, zärtlich, verrückt. Er weinte vor Glück, als er sie das erste Mal nackt sah. Er schwor, sie auf Händen zu tragen, solange er atme, und vergaß sich selbst beim Sex auf eine Weise, wie Charlotte es noch bei keinem Mann erlebt hatte. Sie liebten sich, sie lachten, sie konnten nicht genug voneinander bekommen. Mit einem Schlag war die Welt verwandelt, ihr Leben wie neu begonnen. Es war, als sei alles bis dahin Geschehene nur Vorbereitung gewesen.
Charlottes Gabe war so stark wie nie zuvor. In manchen Momenten war ihr, als spiele die Distanz zu den Dingen gar keine Rolle mehr, als könne sie die Geschichte der Welt lesenwie ein offenes Buch. Diesem Gefühl folgend verließen sie Moskau, reisten nach Warschau und schließlich nach Berlin, wo sie ein Pleyel-Cembalo aus dem Besitz der legendären polnischen Cembalistin Wanda Landowska aufspürten, das seit deren Vertreibung 1940 als verschollen gegolten hatte: ein Sensationsfund, der Gary in die Schlagzeilen brachte.
So kamen sie in Aberdeen an und endlich in Belcairn, einem winzigen Ort nördlich davon. Hier bewohnte Gary ein Gebäude im alten Teil der Siedlung, das aus einer kleinen Wohnung, einer riesigen Werkstatt und einem total verwilderten Garten bestand. Die Zimmer hatten niedrige Decken und niedliche Fenster, alles war schief und krumm und schwer zu heizen: Charlotte war entzückt.
Während Gary den Tag über wie eh und je in der Werkstatt
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