Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Mister Timmermans, Ihr Einwand, bitte.«
Ein dürrer Mann, der ein humorloser Schulrektor hätte sein können, reckte den Kopf. »Piet Timmermans, Direktor Europa. Ich habe Ihr Konzept studiert, Mister Kato, und muss sagen, dass es mich grundsätzlich nicht überzeugt. Ich will Ihnen nicht unterstellen, hier einen bewussten Schwindel abzuziehen, sondern gehe davon aus, dass Sie sich in gutem Glauben einfach irren. Aber wäre mir Ihr Konzept bereits vor fünf Jahren vorgelegt worden, hätte ich rundweg abgelehnt, darin irgendwelche Investitionen zu tätigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Maschine der Art, wie Sie sie konzipieren, prinzipiell funktionieren würde.«
Hiroshi hatte reglos dagesessen, ein Standbild seiner selbst, und den Mann auf der anderen Seite des Tisches unverwandt angesehen. Erst als klar war, dass dessen Rede beendet war, kam Leben in ihn.
»Nun, Mister Timmermans, ich will mir kein Urteil über Ihr Vorstellungsvermögen erlauben«, erwiderte er höflich, aber mit einer Schärfe in der Stimme, wie sie Charlotte bei ihm noch nie gehört hatte, »aber jedenfalls irren Sie sich.«
Er klappte seinen Rechner auf, holte ein dünnes Kabel aus einer Klappe im Tisch, deren Existenz Charlotte bis zu diesem Moment entgangen war, und steckte es ein. Im nächsten Augenblickleuchtete eine Leinwand hinter ihnen auf und zeigte ein Ebenbild dessen, was sich auf Hiroshis Bildschirm tat. »Folgende Videoclips habe ich kurz vor der Landung aus dem Pazifik übermittelt bekommen«, erklärte Hiroshi und ließ die Videos ablaufen, die Charlotte und er vorhin im Flugzeug gesehen hatten: Wie die Maschinen aus selbst produzierten Einzelteilen ein neues Element zusammensetzten, wie dieses sich in Bewegung setzte und sich, nach einigem Ruckeln und Zuckeln, in die Herde der anderen Elemente einfügte, als sei es von Anfang an dabei gewesen. »Sie sehen: Die Maschine funktioniert, und zwar genau so, wie es geplant war.«
Der Schulrektor presste die Lippen zusammen, fahl im Gesicht. Die übrigen Männer – es waren alles Männer – wechselten ungläubige Blicke.
»Mister Kato«, sagte ein Chinese, der dicht neben dem alten Mann saß und wie dessen Leibwächter aussah, »Sie hatten Anweisung, mit dem Experiment erst nach dieser Besprechung zu beginnen.«
Hiroshi nickte knapp. »Diese Anweisung ist leider erst eine halbe Stunde nach Versuchsbeginn eingetroffen. Ich habe, offen gesagt, nicht mit einer solchen Anweisung gerechnet, da die ursprüngliche Vereinbarung vorsah, dass ich, das Projekt betreffend, freie Hand habe.«
»Sie hätten den Versuch stoppen können«, beharrte der Hüne.
»Das hätte die Ergebnisse verfälscht«, erklärte Hiroshi. »Deshalb habe ich mich dagegen entschieden.«
Murren entlang des Tisches, wie Brandung entlang einer Inselküste. Larry Gu brachte sie mit einem weiteren Fingerzeig zum Verstummen. »Nun, stoppen können wir die Sache immer noch«, lispelte er. »Aber vielleicht ist das ja gar nicht nötig. Auf jeden Fall stehen uns damit nun nicht nur Theorien und unsere Vorstellungskraft zur Verfügung, sondern bereits konkrete Daten. Das sehe ich im Moment eher als Vorteil.«
Der Nächste, der zu Wort kam, war ein grimmiger Amerikaner mit schütteren rotblonden Haaren, der sich mit beidenHänden an der Tischplatte festhielt, während er sprach, gerade so, als müsse er sich auf diese Weise daran hindern, aufzuspringen und Hiroshi an die Gurgel zu gehen. »Was mich interessiert«, bellte er, »ist, was Ihrer Ansicht nach mit den Produkten werden soll, die Ihre Maschine vielleicht einmal herstellen wird. Da scheint mir noch vieles ungeklärt zu sein. Zum Beispiel, wem gehören diese Produkte? Und vor allem, wem gehört eine eventuelle Kopie, die so eine Maschine von sich selbst herstellt?«
Hiroshi stöpselte seinen Rechner aus und klappte ihn zu. Die Leinwand erlosch, Dunkelheit senkte sich wieder über die Runde. Dabei war draußen heller Tag. Das Dämmerlicht rührte daher, dass die Fensterfront aus getöntem Glas bestand, das nach oben hin immer dunkler wurde. Man sah die Stadt, die Hochhäuser, die Küste und das Meer, und bestimmt herrschte überall dort unten Bewegung, Leben, Gewusel. Doch hier oben bekam man davon nichts mit; es war, als sei die Sonne am Untergehen.
»Sie sprechen von Besitz«, stellte Hiroshi fest.
»Ganz recht. Ich spreche von Besitz. Besitzfragen, Eigentumsfragen, das sind zentrale Themen, vielleicht die zentralsten Themen des Wirtschaftslebens
Weitere Kostenlose Bücher