Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
lässt.«
»Gut, dann habe ich das richtig verstanden. Bitte verstehen Sie aber auch, dass ich in diesem Falle Bedenken anmelden muss hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Rohstoffe. Bereits heute erleben wir erste Engpässe, manche Rohstoffe betreffend, und das, obwohl wir noch weit davon entfernt sind,allen Menschen alle Dinge im Überfluss zur Verfügung stellen zu können. Nun nimmt die Menschheit an Zahl weiter zu, und wenn Sie sie nun noch mit Überfluss beglücken wollen – haben Sie da nicht auch Bedenken, dass Sie auf diese Weise die Rohstoffvorräte im Handumdrehen erschöpfen werden?«
Nicken ringsum. Offenbar teilten viele diese Bedenken. Charlotte sah gespannt zu Hiroshi hoch. Ihr war dieser Gedanke noch gar nicht gekommen, aber sie fand ihn bestürzend einleuchtend.
Hiroshi jedoch zeigte keine Spur von Beunruhigung. »Nein«, erklärte er geradeheraus, »diese Bedenken habe ich nicht. Ich erwarte sogar das genaue Gegenteil. Bedenken Sie eines: Dank meiner Maschinen wird beliebig viel Arbeitskraft zur Verfügung stehen – so viel wir wollen, so viel wir brauchen. Das heißt nicht nur, dass sich existierende Vorkommen weitaus gründlicher ausbeuten lassen, als sich unter heutigen Kostenstrukturen lohnt, sondern vor allem auch, dass wir Recycling mit beliebig hohem Aufwand betreiben können. Ich sehe keinen Grund, warum sich unter diesen Voraussetzungen keine Recyclingquote von hundert Prozent erreichen lassen sollte – und in diesem Fall würden die Rohstoffe ewig reichen, weil sie immer wieder vollständig neu verwendet werden.« Er faltete die Hände. »Falls Ihnen das utopisch vorkommen sollte, denken Sie bitte daran, dass die Natur genau dasselbe macht, seit Milliarden von Jahren. Jedes Atom, aus dem Sie bestehen, ist Jahrmilliarden alt, war schon Bestandteil von Sauriern, von Algen und Einzellern. Nichts geht verloren in der Welt des Lebendigen, alles wird wieder verwendet, wieder und wieder. Ich sehe nicht ein, wieso wir dieses Prinzip nicht auch in der Welt des Unbelebten, der Produkte und Maschinen, verwirklichen können sollten.«
Einen Moment lang herrschte verdutzte Stille in der Runde. Sie waren beeindruckt, das war mit Händen zu greifen. Hiroshi hatte eine erste Bresche in die Mauer ihrer Ablehnung geschlagen, und wenn er noch eine Weile so weitermachte, dann würde er sie alle auf seiner Seite haben. Plötzlich war Charlotte überhauptnicht mehr müde, im Gegenteil, die Situation erregte sie regelrecht. Wann erlebte man so etwas schon einmal – im Konferenzraum eines globalen Konzerns zu sitzen und mitzukriegen, wie Entscheidungen von weltweiter Tragweite fielen? Sie hätte auch nie im Leben geglaubt, dass solche Konferenzräume tatsächlich so aussahen, wie sie in Hollywoodfilmen dargestellt wurden.
Jemand räusperte sich, ein gemütlicher Mann mit einem kugelrunden Gesicht, der aussah wie die Harmlosigkeit in Person. Was zweifellos täuschte; harmlose Leute wurden keine Direktoren.
»Was ist mit der Energie?«, wollte er wissen. »Alles, was diese Maschinen tun, kostet ja Energie, da führt kein Weg darum herum. Ich würde sogar annehmen, dass der Einsatz Ihrer Maschinen eher mehr Energie verbrauchen wird als herkömmliche Produktionstechniken. Wo wollen Sie diese Energie hernehmen? Dass die Energieträger zur Neige gehen, das pfeifen ja inzwischen die Spatzen von den Dächern. Sei es Erdöl, Uran oder was wir sonst so verfeuern, alles geht zur Neige. Da wird auch nichts recycelt. Übrigens auch von der Natur nicht. Am Ende aller Tage steht bekanntlich der Wärmetod des Universums.«
»Nun, bis dahin wird noch viel passieren.« Hiroshi nickte. »Grundsätzlich haben Sie recht, die Maschine verbraucht im Schnitt mehr Energie. Das ist logisch, schließlich ersetzt sie menschliche Arbeitskraft. Bloß – die Maschinen werden auch die Energie, die sie benötigen, selbsttätig gewinnen. Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern.«
»Ah ja? Und wie wollen die Maschinen das machen?«
Hiroshi hob einen Arm, deutete zum Himmel. »Indem sie eine nach menschlichen Maßstäben unerschöpfliche Quelle nutzen: die Sonne.«
»Was heißt das? Wollen Sie Solarzellen auf Ihre Miniroboter setzen? Ich glaube kaum, dass das genügen wird.«
»Nein, das würde nicht genügen. Es müssen schon richtige Kraftwerke sein.« Es hielt Hiroshi nicht länger auf seinem Sessel.Er stand auf, begann um den Konferenztisch herumzugehen, während er weitersprach. »Sie haben heute einen Komplex in Aktion
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