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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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kleine Bläschen, die emporperlten und zerplatzten und Bilder aufblitzen ließen von einem kleinen Jungen, der schon damals so merkwürdig gewesen war, der sich nicht hatte einschüchtern lassen, der sich, wenn er sich einmal ein Ziel gesetzt hatte, durch nichts davon abbringen ließ. Wenn man ihn so kannte, dann sah man, dass Hiroshi immer noch der Junge von damals war, nur reifer, erwachsener, sozusagen die vollendete Form dessen, was damals als Keim in ihm angelegt gewesen war.
    Vielleicht wandelten sich Menschen in Wahrheit nicht. Vielleicht waren Menschen wie Planeten, die unbeirrbar ihren Bahnen folgten und nur ab und zu unterschiedliches Licht reflektierten.
    Ein Mann meldete sich zu Wort, der bis jetzt noch gar nichts gesagt hatte, ein ernster, braunhäutiger Mann, ein Inder ohne Zweifel. »Mister Kato«, sagte er sanft, fast bittend, »was werden die Menschen eigentlich tun in dieser Welt, die Ihnen vorschwebt?«
    »Was sie wollen«, erwiderte Hiroshi sofort. Eine Antwort, die wie ein Reflex kam.
    »Genügt das? Zu tun, was man will? Nur zu tun, was man will?«
    Hiroshi blieb stehen, musterte den Mann, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Tun Sie, was Sie wollen, Mister Chandra?«, fragte er dann. »Jetzt, in diesem Moment – tun Sie da etwas, das Sie nicht täten, wenn Sie nicht müssten?«
    Der Angesprochene wackelte nachdenklich mit dem Kopf, mit jener merkwürdigen Geste, die Charlotte aus ihrer Zeit inDelhi noch gut in Erinnerung war. Inder schüttelten nicht den Kopf, wenn sie Nein meinten, sie wackelten damit.
    »Das ist nicht so einfach zu beantworten«, meinte er. »Ich nehme an dieser Besprechung in meiner Eigenschaft als Direktor der Region Indien-Ostafrika teil. Hätte dieser Termin nicht angestanden, würde ich jetzt gerade zweifellos etwas anderes tun. Dass ich hier bin, ist in erster Linie Teil meiner Pflichten. Andererseits hat die Besprechung heute ein so faszinierendes Thema, dass ich vermutlich auch freiwillig gekommen wäre. Allgemein kann ich sagen, dass ich eine Position innehabe, die ich durchaus gerne ausfülle. Wenn Sie mich fragen würden, ob ich sie in einer Welt, in der man nicht mehr gezwungen wäre, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, ebenfalls ausfüllen würde, dann würde ich sagen, Ja. Weil es eine interessante Tätigkeit ist und ich das Gefühl habe, etwas Sinnvolles zu tun. Aber das heißt nicht, dass nicht einzelne Aufgaben damit verbunden wären, die man nicht so gern tut. Das ist ganz normal.«
    Hiroshi nickte. »Na also. Sie geben sich die Antwort damit selber. Die Maler werden auch in Zukunft weiter malen, aber die Müllmänner werden eher nicht mehr arbeiten.«
    »Gut – aber was ist mit Kellnern? Gefängniswärtern? Rechtsanwälten? Krankenpflegern? Kindergärtnerinnen? Mit Köchen? Sollen in Zukunft alle Menschen nur noch Mahlzeiten essen, die von Robotern zubereitet werden?«
    Hiroshi zögerte. Die anderen bemerkten es vielleicht nicht, aber Charlotte sah es. Dies war der erste Einwand, der ihn unsicher werden ließ.
    »Ich weiß nicht, wie sich die Arbeitswelt der Zukunft verändern wird«, bekannte Hiroshi schließlich. »Niemand kann das wissen. Nur dass sie sich verändern wird, das ist sicher. Manche Berufe werden früher wegfallen als andere. Manche Berufe werden nie durch Roboter ersetzbar sein. Es wird sich erst noch herausstellen müssen, für welche anderen Anreize als Geld Menschen bereit sein werden, Berufe auszuüben – denn Geld,davon können Sie ausgehen, wird es in der heutigen Form nicht mehr geben.«
    »Ich glaube eher, dass Sie große Teile der Bevölkerung in unerträgliche Langeweile stürzen«, warf der Holländer spitzlippig ein. »Ihre Erfindung wird die Welt dahingehend verändern, dass die meisten Menschen die meiste Zeit ihres Lebens vor dem Fernseher verbringen, weil sie sich ansonsten zu Tode langweilen.«
    Hiroshi setzte sich wieder in Bewegung. »Das glaube ich nicht«, erwiderte er entschieden. »Ich glaube, dass Langeweile etwas ist, das man erst lernen muss. Ein kleines Kind langweilt sich nicht, jedenfalls nicht auf die Weise, die Sie meinen. Kinder haben ständig Pläne, haben ständig etwas vor. Langeweile lernt man erst in der Schule, und ganz sicher lernt man sie in vielen Jobs. Und wenn man es sich erst einmal angewöhnt hat, sich zu langweilen, dann fällt es schwer, davon zu lassen – vermutlich, weil sich da ein fundamentaler biologischer Mechanismus, der darauf abzielt, Energie zu sparen, in unheilvoller Weise mit

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