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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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die Bürste, zupfte ein paar seiner Haare heraus, betrachtete sie missmutig und beförderte sie dann in den kleinen Abfallbehälter unter dem Waschbecken. »Aber hast du mitbekommen, was sie Jegorow erzählt hat? Dass sie einen Freund hat?«
    »Ich habe sozusagen miterlebt, wie sie sich angefreundet haben, wenn du so willst.«
    »Tatsächlich? Wie denn das?«
    Seine Gattin legte ihren Wattebausch beiseite und zog ein Zellstofftuch aus der Box. »Das war heute Vormittag. Es ist der Junge, der ihre Puppe zurückgebracht hat. Der Sohn einer Angestellten aus dem Hauswirtschaftsbereich.«
    »Du solltest nicht zulassen, dass Charlotte hier engere Freundschaften schließt.« Der Botschafter griff nach Zahnbürste und Zahnpasta. »Ich kann buchstäblich jeden Tag abberufenwerden, und dann? Du weißt doch, wie sie immer noch diesem Mädchen nachtrauert, mit dem sie in Delhi zusammen war – wie hieß sie doch gleich? Die kleine Engländerin mit den rotblonden Locken?«
    »Brenda«, sagte seine Frau. »Brenda Gilliam. Und eigentlich stammt sie aus Schottland.«
    »Die Tochter dieses Medizinprofessors?«
    »Genau.«
    »Wir sollten ihr nicht schon wieder so eine Trennung zumuten«, meinte der Botschafter und hielt die Zahnbürste in den Strahl warmen Wassers, der aus dem Hahn strömte.
    Seine Frau sah ihn im Spiegel an. »Weißt du denn schon, wohin wir dann gehen werden?«
    »Vermutlich nach Südamerika. Da werden grade einige Posten neu besetzt – Chile, Argentinien, Guatemala …«
    »Argentinien!«, rief seine Gattin enthusiastisch aus. »Argentinien wäre großartig.« Als junges Mädchen hatte sie anderthalb Jahre dort gelebt, in Buenos Aires. Sie hatte Tango getanzt, die Nächte durchgefeiert und sich jeden Monat in einen anderen feurigen jungen Mann verliebt … Es war die einzige wilde Zeit in ihrem Leben gewesen, und von den Erinnerungen daran zehrte sie bis heute.
    »Das hängt alles davon ab, wann Bernard wieder gesund ist«, sagte ihr Mann in dem Bemühen, keine verfrühten Hoffnungen aufkommen zu lassen. »Oder zumindest arbeitsfähig; ganz gesund wird er ja wohl nie wieder werden …« Bernard Beaucour war der eigentliche Botschafter Frankreichs in Japan, Jean-Arnaud Malroux vertrat ihn nur. Beaucour war an Krebs erkrankt, hatte aber, ehe er sich in Paris in Behandlung begeben hatte, seine ausdrückliche Absicht erklärt, sein Leben, zumindest aber seine Laufbahn in Japan zu beschließen.
    »Je früher, desto besser«, sagte Madame Malroux, nahm einen neuen Wattebausch und tränkte ihn mit einer jener chemisch riechenden Flüssigkeiten, die einem Mann lebenslang Rätsel aufgeben. »Ich weiß nicht … Es muss an dem Klima hierliegen. Oder an der Stadt. Oder an dem Gedanken, dass jeden Moment ein Erdbeben losbrechen könnte. Ein Erdbeben! Man darf gar nicht darüber nachdenken.«
3
    Am nächsten Tag stand Hiroshi kurz vor drei Uhr am Tor der Botschaft, doch der Wachmann weigerte sich, ihn passieren zu lassen.
    »Aber ich habe eine Verabredung!«, protestierte Hiroshi.
    »Die ist abgesagt worden.« Der Wachmann tippte auf eine Zeile in seinem vollgekritzelten Notizbuch. »Hier steht es.«
    »Aber warum?«
    »Das weiß ich nicht. Solche Dinge sagt man uns nicht.« Er sah Hiroshi bedauernd an. »Tut mir leid, aber es ist am besten, du gehst wieder.«
    Hiroshi musterte den Mann, das eiserne Tor, die Fahne, die reglos und schlaff am Mast hing. Es war heiß und windstill. Hier würde er nichts erreichen, das war klar. Er bedankte sich tonlos und ging.
    Leute wie wir sind für die unwichtig. Sie müssen keine Rücksicht auf uns nehmen, und sie nehmen auch keine.
    Es war ganz bestimmt ein Missverständnis. Es konnte nur ein Missverständnis sein. Charlotte hatte ihn eingeladen, für drei Uhr, heute. Egal, was der Mann am Tor behauptete, das war ausgemacht gewesen!
    Du wirst schon sehen, was du davon hast.
    Er hatte eine Verabredung. Und er würde sich nicht daran hindern lassen, sie einzuhalten.
    Hiroshi umrundete das Botschaftsgelände, schlüpfte hinter den Baum, wo das Loch im Gitter war. Er holte das Seil aus dem Astloch, in dem er es aufbewahrte, zwängte sich durch die Öffnung und ließ sich so leise wie möglich auf den Boden herab. Dann nahm er denselben Weg wie am Dienstag. Er begegneteniemandem. Auf dem Parkplatz, den er passieren musste, stand kein einziges Auto. Wahrscheinlich, weil heute Sonntag war.
    Die Tür, die neben den Mülleimern ins Haus führte, war nicht verschlossen. Hiroshi schlüpfte hinein. Der

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