Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Raum dahinter war kahl und hässlich, aber eine Tür ging auf den Flur, durch den er am Tag zuvor mit Charlotte gegangen und der so kostbar ausgestattet war, mit all den gerahmten Ölbildern und den dicken Teppichen. Er huschte die Treppe hinauf und klopfte an die Tür ihres Zimmers.
    Sie riss die Tür auf. »Na endlich«, sagte sie. »Ich dachte schon, du kommst nicht.«
    »Die haben mich nicht reingelassen«, erwiderte Hiroshi. »Am Tor.«
    »Wieso nicht? Ich hab’s denen extra gesagt.«
    »Der Mann hat behauptet, die Verabredung sei abgesagt, und mich wieder fortgeschickt.«
    Sie blinzelte. »Und wie bist du dann reingekommen?«
    Hiroshi zögerte. »Ich hab einen geheimen Weg. Sonst hätte ich doch deine Puppe nicht aus dem Mülleimer holen können!«
    »Ach so.« Ein fasziniertes Leuchten glitt über ihr Gesicht. »Das musst du mir zeigen!«
    Sie gingen hinunter in den Garten, und Hiroshi zeigte ihr die Stelle. Mithilfe des Seils zogen sie sich auf die Mauerbrüstung hinauf. Man sah von dort oben aus nur den Baum und ein bisschen von dem Fußweg dahinter, aber Charlotte war begeistert. »Da könnten wir jetzt runter und uns die Stadt ansehen, oder?«
    »Klar«, sagte Hiroshi und überlegte, wohin sie gehen konnten. Besonders viel Interessantes gab es in der Gegend eigentlich nicht zu sehen. Er konnte ihr seine Schule zeigen, falls sie wollte.
    Aber sie zögerte. »Ach«, meinte sie schließlich, »ein andermal vielleicht.« Sie ließ sich wieder auf den Boden hinter der Mauer hinunter.
    Hiroshi war erleichtert. Der Garten gefiel ihm viel besser als die Stadt darum herum.
    Sie gingen zurück. Unterwegs zeigte Charlotte auf das Haus,in dem Hiroshi und seine Mutter lebten. »Da wohnst du, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Hiroshi.
    Ihr schmaler, fast weißer Arm schwenkte ein Stück zur Seite, sodass ihr Zeigefinger genau auf das Fenster über Hiroshis Bett wies. »Und von da aus hast du mich gesehen, wie ich im Regen gestanden habe.«
    Er sah sie verblüfft an. »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es eben«, erwiderte Charlotte kokett. Dann schlang sie die Arme um sich, als sei ihr auf einmal kalt. »Ich mach manchmal so verrückte Sachen. Einfach weil ich Lust dazu habe. Ich kann dann gar nicht anders. Und dann wieder trau ich mich nicht, ganz normale Sachen zu machen.«
    »Was für normale Sachen?«
    Sie hob die Schultern. In diesem Moment sah sie irgendwie aus wie ein kleiner Vogel mit verletzten Flügeln, fand Hiroshi. Als er noch klein gewesen war, hatte er einmal so einen Vogel gefunden und mit nach Hause nehmen wollen, aber seine Mutter hatte es ihm nicht erlaubt.
    »Normale Sachen eben«, sagte sie. »Jemanden anrufen. Oder aus dem Haus gehen. Oder ein bestimmtes Kleid anziehen.«
    »Was kann denn passieren, wenn man ein bestimmtes Kleid anzieht?«, wunderte sich Hiroshi.
    »Nichts«, sagte Charlotte.
    Er überlegte, ob er verstand, was sie ihm erzählte. Eigentlich nicht. Aber das spielte irgendwie keine Rolle.
    »Gibt es was, was du dich nicht traust?«, wollte Charlotte wissen.
    Hiroshi dachte nach. »In der Schule geh ich den Großen aus dem Weg. Denen, die immer gleich prügeln. Ich bin nicht stark genug, das ist das Problem. Ich kann nicht zurückschlagen, wenn die mich schlagen. Ich hab keine Chance gegen die. Und die Lehrer glauben einem nicht.«
    Es tat gut, das einmal jemandem sagen zu können. Selbst wenn es nichts änderte. Seine Mutter wollte von solchen Dingennichts wissen. Und erst recht nichts von seiner Idee, einen Karate-Kurs zu absolvieren, um sich besser verteidigen zu können. Das könnten sie sich nicht leisten, hatte sie gemeint.
    Charlotte meinte: »Das ist okay. Das würde ich auch so machen.«
    Im nächsten Augenblick schien sie das ganze Thema vergessen zu haben. »Komm«, rief sie. und rannte los. »Wir gehen schaukeln!«
    Hiroshi rannte ihr hinterher, war zugleich mit ihr an der Schaukel. Sie hatten einen ganzen Spielplatz für sich alleine! Das hatte er noch nie erlebt; nicht einmal geträumt hatte er von so einem Luxus. Im Kindergarten hatte er sich die Spielplätze immer mit vielen anderen Kindern teilen müssen. Eigentlich hatte er nie genug Zeit gehabt, wirklich zu schaukeln, denn kaum hatte man angefangen, war man schon wieder vertrieben worden – von einem Größeren, Stärkeren, solange er klein war, und als er selber zu den Ältesten in der Gruppe gehört hatte, von der Kindergärtnerin, die verlangte, dass er Rücksicht auf die Kleinen nahm.
    Es war toll, reich zu

Weitere Kostenlose Bücher