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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Nabe.
    »Sieht aus wie ein Andockbereich«, meinte der Pilot.
    Es war mehr als das: Es war eine Schleuse. Die Nabe war ein etwas vorstehender Zylinder, der nicht mit der Station rotierte, sondern sich so gegen sie drehte, dass er stillzustehen schien. Als sich der Shuttle näherte, fuhr eine riesige Luke auf, eine Bewegung von eleganter Leichtigkeit.
    »Okay. Houston, habt ihr das gesehen? Sieht aus, als seien wir willkommen.«
    »Alles Gute«, sagte die Stimme der Leitstelle.
    Adamson hielt den Atem an, als der Shuttle in die Schleuse einschwebte, die so groß war, dass ein Kreuzfahrtschiff darin Platz gefunden hätte. Die Luke glitt hinter ihnen zu. Einen Moment lang geschah nichts, dann öffnete sich die Luke vor ihnen.
    »Wir haben jetzt Atmosphäre draußen«, erklärte der Bordingenieur, nicht ohne Staunen in der Stimme. »Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch. Luftdruck nur wenig unter Normalnull.«
    »Funkkontakt mit der Erde abgerissen«, meldete der Copilot.
    »Dann wollen wir mal«, meinte Jackson. Ein weiterer Schub brachte sie in die gewaltige Halle hinter der Schleuse, wo etwas sie sanft erfasste und zu Boden führte, zu einer weichen Landung.
    »Scheint ein magnetischer Effekt zu sein«, sagte der Pilot.
    Vier von ihnen würden rausgehen, in Raumanzügen, trotz allem, sicherheitshalber. So war es geplant, und es gab im Moment keinen Anlass, davon abzuweichen. Und Bill Adamson war dabei, einzig aus dem Grund, dass man ihn vor ein paar Monaten auf den Posten der bis dahin unbedeutenden Abteilung Weltraumkolonisation strafversetzt hatte.
    Er war froh, dass ihm die erfahrenen Astronauten beim Anlegen des Raumanzugs halfen. Zwar hatte er den Umgang damit trainiert, so gut das in der kurzen Zeit möglich gewesen war, aber eben nicht in Schwerelosigkeit. Er war aufgeregt, als er die Bordschleuse passierte – nach Ilena, die auf ladies first bestanden hatte und damit zum ersten Menschen wurde, der den neuen Himmelskörper betrat.
    Die magnetischen Sohlen der Raumanzüge funktionierten. Es war eigenartig, so einen Fuß vor den anderen zu setzen; es fühlte sich an, als hinge man kopfüber.
    Schritt um Schritt. Türen, die sich in neue Räume öffneten, in Gänge, in Hallen. Von allem Bilder machen, alles beschreiben, alles dokumentieren. Bislang blieb die Funkverbindung zum Shuttle unbeeinträchtigt. Verstrebungen, Wände, Bauelemente, Schiebetüren – alles war verblüffend dünn und doch, wenn man es anfasste, versuchsweise Druck ausübte, ultrastabil. Und vor allem unfassbar präzise gefertigt. Eine Treppe, ein Geländer mit spaghettidünnen Stangen – und man konnte förmlich sehen , dass sie alle exakt den gleichen Durchmesser besaßen, dass so etwas wie Fehlertoleranz an Bord dieses Gebildes nicht existierte.
    Klar, dachte Adamson. Wenn man alles aus einzelnen Atomen zusammensetzt, dann sind die abgezählt. Verglichen damit waren sämtliche herkömmlichen Herstellungsverfahren – Schmieden, Fräsen, Drehen, Schleifen, Polieren, Bohren, was auch immer – grobschlächtig, nichts als marginale Verbesserungen des Faustkeils, mit dem die technische Entwicklung einst begonnen hatte.
    Ein Aufzug. »Wir riskieren es«, gab Ilena an den Shuttle durch. Die Steuerung war simpel; Adamson war schon in Hotels gewesen, in deren Aufzügen er sich schlechter zurechtgefunden hatte. Es ging abwärts, und sie konnten spüren, wie die Schwerkraft zurückkehrte. Oder zumindest etwas, das sich so ähnlich anfühlte. Die Zentrifugalkraft der rotierenden Walze. Wenn man den Kopf drehte, merkte man den Unterschied; eine eigentümliche Irritation des Gleichgewichtsempfindens.
    Sie betraten einen Raum, der Fenster besaß, riesige, makellose Glasscheiben vom Boden bis zur Decke. Und jenseits davon …
    Ilena hauchte etwas, das russisch klang und sehr, sehr ehrfürchtig.
    Die Raumstation war hohl. Vor ihren Augen erstreckte sich eine Landschaft aus Metall, die die gesamte Innenseite der Walze bedeckte – Häuser, Wege, Seen unter ihnen, konkav an den Wänden hochsteigend, über ihnen. Eine eingerollte Welt aus schimmerndem Stahl, ein fremder Planet, der einer völlig anderen, ungewohnten Geometrie folgte. Klar, wenn man hinabging, war an jedem Ort, an den man trat, unten; man würde überall das Gefühl haben, am tiefsten Punkt eines Tals zu stehen, das sich über einem zu einer Röhre schloss.
    »Eine Arche«, hörte sich Adamson sagen, dem in diesem Augenblick zu Bewusstsein kam, dass er hier und jetzt den Höhepunkt seines Lebens

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