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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Essen lagen sie einfach da, faul und schwer, blinzelten in den fast wolkenlosen Himmel und schwiegen. Dorothy wartete, dachte an die Stunden, die sie in der Küche verbracht hatte. Sie hätte gern immer für Hiroshi gesorgt, seine Kinder großgezogen, ihm den Haushalt geführt, wäre ihm gerne eine gute Ehefrau und Geliebte gewesen. Hiroshi würde es zuetwas bringen, das sah man ihm an; er würde gut verdienen, und sie würden ein schönes Leben haben können mit allem, was dazugehörte.
    Hiroshi stützte sich auf, sah sie an. Er lächelte. »Schön hier«, meinte er, offensichtlich zufrieden.
    Dorothy lächelte zurück, schwieg aber. Vielleicht bereitete er sich ja darauf vor, etwas zu sagen. Etwas Wichtiges.
    Hiroshi drehte sich auf den Bauch, fingerte im Gras herum. »Schau mal«, sagte er.
    Sie drehte sich ebenfalls herum, kam dabei ein Stück näher bei ihm zu liegen. Das, was er ihr zeigen wollte, war eine einsame Ameise, die sich damit abmühte, eine Tannennadel mit sich zu ziehen, die wenigstens fünfmal so lang war wie sie selbst.
    »Ja, schön«, sagte sie. »Wie sie sich abrackert, hmm?«
    »Sie muss sich verirrt haben.« Hiroshi senkte den Kopf, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. »Unglaublich, findest du nicht? So ein winziger Körper. Greifer, Fühler, Beine. Und kann trotzdem so viel bewegen.«
    »Nicht wahr? Die Natur ist voller Wunder, wenn man genau hinschaut«, sagte Dorothy. Konnte nicht schaden, wenn er das einsah.
    Hiroshi rutschte tiefer, stützte das Kinn auf die übereinandergelegten Hände. »Auf sich allein gestellt bringt so eine Ameise nichts zustande«, überlegte er. »Es ist das Zusammenspiel mit den anderen. Schwarmintelligenz.«
    Dorothy hörte ihm gespannt zu. War er gerade dabei zu entdecken, dass das Leben gemeinsam besser zu bewältigen war als alleine?
    »Ein winziger Mechanismus im Grunde«, räsonierte Hiroshi weiter. »Ein winziger, einfacher Mechanismus. Fast kein Gehirn. Man könnte das nachbauen. Nicht so klein, aber man könnte es. Was ist der Unterschied zwischen einer Ameise und einem Roboter? Ich sehe keinen.«
    Dorothy drehte sich enttäuscht weg. Roboter! Hiroshi hatte nie etwas anderes im Kopf.
    »He«, sagte sie und stupste ihm mit den Zehen gegen den Unterschenkel. »Ich bin zufällig auch noch da. Und ich bin kein Roboter!«
    Er sah sie verdutzt an, lachte wie ein großes Kind. »Ja, stimmt!« Er vergaß die Ameise, drehte sich zu ihr um und legte seinen Kopf auf ihren Bauch.
    »Ich muss dich was fragen«, sagte er ernst.
    »Frag.«
    »Hast du schon mal Sex in der freien Natur gehabt?«
    Dorothy seufzte leise. War es das, was ihn bei ihr hielt? Sex? Wahrscheinlich.
    »Nein«, gab sie zu. »Noch nie.«
    Hiroshi vergrub sein Gesicht kurz zwischen ihren Brüsten, gab ihr dann einen Kuss und fragte: »Hättest du nicht Lust, es mal zu probieren?« Er sah sich um. »Ich schätze, hier sieht uns niemand, oder?«
    Dorothys umfangreiche Vorbereitungen hatten auch einen Wunsch wie diesen berücksichtigt. Sie hatte sich bei der Auswahl des Platzes vergewissert, dass man von der Straße aus nichts sah und dass es keine Spazierwege oder dergleichen gab, die für unangenehme Überraschungen sorgen konnten.
    Und sie hatte Kondome eingepackt, für alle Fälle.
    Trotzdem sagte sie: »Ich weiß nicht recht …«
    Sie zierte sich, damit er sich wenigstens Mühe gab, sie zu überreden. So viel musste es ihm schon wert sein. Wenn er hartnäckig genug war, würde sie nachgeben, das hatte sie schon beschlossen gehabt, noch ehe sie ins Auto gestiegen waren.
    Wahrscheinlich würde es toll werden. Hiroshi war kein schlechter Liebhaber, und wenn er irgendetwas war, dann hartnäckig. Er hätte die Hartnäckigkeit erfunden haben können.
    Der Seminarraum, in dem fünfundzwanzig Studenten auf Professor DeLouche warteten, war eine Designstudie in klinischem Weiß und roch nach Reinigungsmitteln: ungefähr so gemütlichwie ein OP. Das sympathischste Merkmal war, dass eines der Bleche am Einlassschlitz der Klimaanlage leise, aber auf die Dauer nervtötend klapperte.
    Hiroshis Handy gab einen leisen Glockenton von sich. Eine SMS, von Dorothy: Denke gerade an unseren Ausflug gestern. WOW !
    Hiroshi lächelte. Irgendein Insekt hatte ihn in den Hintern gestochen, und sie hatten auf dem Rückweg halten und zwei Dutzend Ameisen aus Dorothys Haaren lesen müssen. Aber unter dem Baum dort miteinander zu schlafen war trotzdem sensationell gewesen.
    Ja , textete er zurück. Sollten wir bald

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