Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
gefallen.«
Er lachte unbekümmert. »Stimmt«, sagte er.
Charlotte nestelte an ihrer Orchidee. Was war nur los mit ihr? Hatte es damit zu tun, dass das Thema Verlobung so unvermittelt aufgekommen war? Irgendwie fühlte sie sich überrumpelt.
War es das? Fühlte sie sich doch noch nicht reif für diesen Schritt? Als sie in einem Telefonat mit ihrer Mutter neulich etwas in diese Richtung hatte anklingen lassen, hatte Maman sie pikiert daran erinnert, dass sie in ihrem Alter nicht nur bereits verheiratet, sondern sozusagen schon unterwegs in die Entbindungsklinik gewesen war.
Brenda fiel ihr ein. Die sagte immer: Du musst dir hundertprozentig sicher sein. Du musst dir vorstellen, steinalt zu sein und im Sterben zu liegen und auf dein Leben zurückzublicken. Und dann musst du dir sagen können, ja, ich habe es mit dem richtigen Mann verbracht.
Charlotte konnte sich nicht wirklich vorstellen, steinalt zu sein, und bei dem Gedanken ans Sterben gruselte ihr einfach nur. Doch, ja – sie war sich sicher. Ziemlich sicher zumindest. Und es war ja wohl normal, dass man in so einer Phase auch mal Angst vor der eigenen Courage hatte.
Als spüre er ihre Gedanken, sagte James in diesem Augenblick: »Ach übrigens, der Umzug bei deiner Freundin Brenda am Samstag …«
»Ja?«
Er seufzte abgrundtief. »Ich kann doch nicht kommen. Tennis. Mein Vater hat mich gebeten, mit ihm ein Doppel gegen zwei seiner Geschäftspartner zu spielen … Ist irgendwie wichtig, konzernstrategisch. Da kann ich nicht Nein sagen.«
Charlotte sah ihn an und fragte sich, ob das stimmte. Bestimmt war das ein vorgeschobener Grund. James konnte Brenda nicht leiden, schlicht und einfach. Tatsächlich hatte er an allen ihren Freundinnen, Freunden und Bekannten etwas auszusetzen. Er wolle Charlotte ganz für sich alleine, hatte er ihr einmal gestanden.
»Schade«, sagte sie.
Das Altair hatte einen Parkdienst: Sie brauchten nur auszusteigen und den Autoschlüssel einem Mann in einer schmucken grau-blauen Uniform zu überreichen, der sich um alles Weitere kümmerte. »Das fängt schon mal gut an«, meinte James zufrieden, während sie einem dicken grau-blauen Teppich zum Eingang folgten.
Die Sonne stand hinter ihnen, tief über dem Horizont, ein glutroter Ball, der sich in den Fensterscheiben spiegelte und das Innere des Restaurants aussehen ließ, als stünde es in Flammen. Seltsamerweise musste Charlotte bei diesem Anblick an Hiroshi denken und dass er sich bestimmt wieder melden würde.
Besser, er tat das nicht ausgerechnet heute Abend. Sie holte ihr Telefon aus der Tasche und schaltete es aus.
Die Sonne ging gerade unter und färbte den Himmel wie blutiges Gold. Ihr Widerschein spiegelte sich in den Fenstern der gegenüberliegenden Apartments, blendete Hiroshi beinahe.
Nicht, dass er es bemerkt hätte. Er saß mit dem Telefon in der Hand da, hatte die Augen halb geschlossen und horchte in sich hinein. Auf dem Display leuchtete Charlottes Telefonnummer.Sein Zeigefinger schwebte über der Wähltaste. Er musste nur drücken – was hielt ihn zurück? Scheu? Furcht, enttäuscht zu werden? Ganz banale Schüchternheit?
Nichts davon, entschied er schließlich, schaltete das Telefon wieder aus und legte es beiseite. Es war schlicht und einfach gerade nicht der richtige Zeitpunkt.
3
Böse Zungen behaupteten, Professor Sheldon Bowers habe seine Sprechstunden auf den frühen Montagmorgen gelegt, damit ihn möglichst wenige Studenten behelligten, und wenn, dann nur die, die wirklich entschlossen waren oder seine Hilfe so dringend benötigten, dass sie sich am Wochenende mit dem Alkohol zurückhielten und zeitig zu Bett gingen.
Hiroshi war wirklich entschlossen, und so stand er an diesem Morgen bereits vor Bowers’ Tür, als der Professor gerade erst ankam.
Bowers war ein kantiger Mann mit einer auf Hochglanz polierten Glatze, einer Hakennase und einer schweren schwarzrandigen Brille. Man erzählte sich von ihm, dass er nur Kleidung aus biologisch angebauter Baumwolle trage, vegetarisches Essen bevorzuge und dass er sich gerne in Monologen über die mangelhafte Qualität des Leitungswassers in den verschiedenen Bundesstaaten der USA ergehe. Sein Forschungsgebiet war das Engineering komplexer technischer Systeme.
»So, so«, grummelte er, als er zu nahe heran war, um die Anwesenheit Hiroshis länger ignorieren zu können. »Wo brennt’s denn?«
»Es geht um meine Semesterarbeit«, erklärte Hiroshi.
»Das habe ich mir fast gedacht.« Bowers angelte in
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