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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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seinem Jackett nach dem Schlüsselbund. »Lassen Sie mich raten: Sie sind im Verzug und wollen das Thema einengen.«
    »Im Gegenteil«, sagte Hiroshi. »Ich möchte es ausdehnen.«
    Bowers hielt inne, musterte ihn mit seinen grauen wasserhellen Augen. »Sie erstaunen mich. Wird ja womöglich doch noch eine interessante Woche.« Er drehte den Schlüssel um und stieß die Tür auf. »Kommen Sie rein.«
    Das Büro war ein Verhau aus nicht zueinander passenden Möbeln, Regalen, die demnächst unter der Last von Büchern, Ordnern und Geräten nachgeben würden und mangels regelmäßiger Wasserversorgung darbenden Zimmerpflanzen – kurz gesagt: ein ganz normales Professorenbüro am MIT. Bowers wies mit einer knappen Geste auf einen Stuhl, warf seine Aktenmappe auf einen der Haufen, die sich neben seinem Schreibtisch türmten, und ließ sich dann in den Sessel auf der anderen Seite fallen. Hiroshi hielt ihm die geänderte Projektbeschreibung hin, an der er bis heute Morgen um halb vier geschrieben und gefeilt hatte. Er hatte auch diese Nacht so gut wie nicht geschlafen und das Gefühl, jeden Moment vom Stuhl zu kippen. Aber es musste sein. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
    Professor Bowers nahm die Mappe kommentarlos, überflog den Text und sagte dann: »Hmm.« Anschließend blätterte er wieder nach vorn und las alles noch einmal gründlich.
    Hiroshi wartete geduldig.
    »Sie wollen, statt die Konstruktion im Rechner zu simulieren, gleich in die Realität gehen, sehe ich das richtig?«, fragte Bowers schließlich, ihn über den oberen Rand seiner Brille hinweg musternd.
    »Genau«, sagte Hiroshi. »Das ist der Kern der Sache in einem Satz.«
    »Und warum? Vertrauen Sie Computern nicht mehr?«
    »Doch. Aber die Anordnung real zu bauen wäre sowieso der logische nächste Schritt gewesen.«
    »Sie wollen zwei Schritte auf einmal tun.«
    »Ich will einfach nicht trippeln, sondern marschieren.«
    Es ging um ein neuartiges Positionsbestimmungssystem für Roboter, die in der Art eines Schwarms zusammenarbeiten sollten – eine Idee, die er, wie er gestern beim Durchlesen seinesalten Notizbuchs zu seinem Erstaunen hatte feststellen müssen, als Dreizehnjähriger so ähnlich schon einmal gehabt hatte. Er hatte sich nur nicht mehr daran erinnert.
    Der Grundgedanke war, nicht einen einzelnen, komplizierten Roboter zu bauen, der sich anhand irgendwelcher Signalsysteme im Raum orientierte, sondern eine Gruppe einfach konstruierter Maschinen, die zusammenarbeiteten, indem sie sich aufeinander bezogen. In dieser Gruppe sollte es Roboter geben, die sich als Gerüstelemente selbstständig an vordefinierte Positionen bewegten, um sich dort an ihren Nachbarn zu verankern; sie sollten anschließend anderen Robotern, die die eigentlichen Arbeiten zu verrichten hatten, als Klettergerüst dienen. War die jeweilige Aufgabe erledigt, kletterten die Arbeitsroboter zurück auf den Boden, die Gerüstroboter lösten sich in geordneter Weise wieder voneinander, und die ganze Horde konnte zum nächsten Einsatzpunkt weiterziehen.
    Wozu das einmal nützlich sein mochte, konnte im Moment niemand wissen. Wobei das aber auch nicht so wichtig war. Wichtig für eine vom MIT unterstützte und finanzierte Forschungsarbeit war in erster Linie, ob sich dadurch neue Erkenntnisse gewinnen ließen.
    »Eine Simulation im Computer«, erklärte Hiroshi, obwohl das eigentlich auch genau so in seinem Papier stand, »würde dazu dienen, die grundsätzliche Funktionsweise eines solchen Konstruktionsschwarms zu zeigen; die grundlegenden Prinzipien, wie die Teile des Gerüsts und die eigentlichen Manipulatoren zusammenarbeiten. Ein Punkt, der dabei aber völlig unter den Tisch fallen würde, wäre der, welchen Einfluss Materialungenauigkeiten, Messfehler, der Einfluss der Schwerkraft, Biegung und Torsion und dergleichen hätten. In einem einfachen Computermodell würden diese Gesichtspunkte keine Rolle spielen. Wenn ich da sage, Element X nimmt Position Y ein, dann werden ein paar Zahlen in ein paar Speicherstellen geschrieben und fertig. Dass sich in der Realität ein weit ausladender Arm durchbiegt, dass sich Fertigungsungenauigkeiten übergrößere Distanzen aufaddieren, dass Greifarme, Zahnräder und so weiter irgendwann danebenfassen können, das alles würde ein Modell jener Granulationsstufe, wie ich es ursprünglich geplant hatte, nicht abdecken. Um solche Faktoren zu simulieren, müsste man die Simulation wesentlich feinmaschiger aufbauen, die einzelnen Maschinen

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