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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Ein kleiner grauer Hund stromerte die Straße entlang. Er schnüffelte die aktuellsten Hundenachrichten an den Bäumen und sah sich immer wieder um, als warte er auf jemanden oder zumindest darauf, dass man ihm sagte, was er tun solle.
    Sie starrte auf den blinkenden Cursor auf dem Bildschirm vor sich. Sie saß über einer Hausarbeit, hatte sich gerade eine Tasse Tee gemacht, als James angerufen hatte, um den Termin am nächsten Morgen abzusagen. Bis dahin war ihr noch sonnenklar gewesen, was sie schreiben würde, und nun war alles wie ausgewischt.
    Sie seufzte. James machte es einem manchmal nicht leicht mit seinen spontanen Entschlüssen. Jetzt »musste« er an einem Sondertraining teilnehmen. Als ob James Michael Bennett III. jemals etwas getan hätte, weil er es musste! Er tat nur, was er wollte , und dank seines Charmes kam er damit immer durch.
    Da einer seiner Leitsprüche lautete: Verzeihung kriegt man leichter als Erlaubnis , fragte er auch nie vorher. Er machte, wasihm in den Sinn kam, und wenn man sich danach ärgerte, machte er einfach große Augen, bis man lachen musste.
    So wie damals, als er in ihren Kleiderschrank eingezogen war. Eines Tages war er mit einer Tasche angekommen und hatte erklärt, das sei ja nun was Ernsteres mit ihnen beiden und deswegen müsse er jetzt ein paar Sachen bei ihr deponieren. Er könne unmöglich länger jeden zweiten Tag in getragenen Klamotten und zerknitterten Hemden herumlaufen; er habe schließlich einen Ruf zu wahren.
    Natürlich hatte sie ihm Platz gemacht. Ihre eigenen Kleider dichter gehängt, in Kisten ausgelagert oder sogar ausgemistet. Sie hatte nicht protestiert, im Gegenteil. Neulich hatte sie sogar Sachen mitgewaschen, die er dagelassen hatte, und seine Hemden gebügelt.
    Und nun also ein Sondertraining . Was immer das sein mochte. Wobei es ihr im Grunde recht war, dass der Termin in dem Restaurant flachfiel; sie hatte ohnehin keine große Lust gehabt.
    Es war eher … ja, James verursachte nur zu gern Durcheinander in ihrem Leben.
    Hiroshi fiel ihr ein. Er hatte mehrmals angerufen und ihr schließlich eine Nachricht auf der Voicebox hinterlassen: Ob sie sich nicht noch mal treffen sollten? Sie hatte Lust dazu, aber sie hatte sich noch nicht aufraffen können zurückzurufen. Warum? Im Grunde nur, weil sie gerade keine Vorstellung hatte, wie ihre nächsten Tage und Wochen aussahen. Wie sollte sie da etwas Festes ausmachen?
    Es war höchste Zeit, dass sie lernte, sich neben James zu behaupten.
    Sie klappte den Computer zu und holte die Karte von Boston und Umgebung. Dann kramte sie nach den Nähsachen, fand die Rolle mit dem weißen Faden, rollte ein beträchtliches Stück davon ab und begann zu tüfteln. Als sie wusste, was sie tun würde, rief sie James noch einmal an und sagte: »Du musst mir einen Gefallen tun.«
    »Einen Gefallen?«, wiederholte er verblüfft.
    »Du musst mich morgen Nachmittag abholen. Um drei Uhr.«
    Oh. Zumutung. »Du – ich weiß nicht, wie lange das Training dauert und ob ich danach nicht völlig fertig bin …«
    »Du kriegst das schon irgendwie hin«, sagte sie rasch und zog die Karte heran. »Pass auf, ich sag dir, wo ich um die Zeit sein werde …«
    Es klingelte noch einmal, und Hiroshi hob in der Erwartung ab, es sei Rasmussen, dem noch etwas eingefallen war. Doch es war Charlotte.
    »Oh«, entfuhr es ihm. Einen Herzschlag lang hielt ihn namenlose Angst umklammert, schien ihn ersticken zu wollen. Einen Herzschlag lang tat er einen Blick in einen Abgrund, spürte er die übermächtige Furcht zu versagen, nicht zu genügen, mit seinem Leben trotz aller Anstrengungen am Ende zu scheitern.
    Dann hatte er sich im Griff, verschwand die Angst wie nie gewesen, schloss sich der Abgrund wieder.
    »Hallo, Charlotte. Erwischen wir uns endlich mal direkt.«
    Sie ging nicht darauf ein. Sie klang, als habe sie sich gerade unbändig über irgendetwas geärgert und wolle sich davon ablenken. »Du hast mich doch gefragt, warum ich ausgerechnet Anthropologie studiere«, sagte sie.
    »Ja«, erwiderte Hiroshi.
    »Und ich habe gesagt, das muss ich dir zeigen, damit du es verstehst.«
    »Genau.«
    »Hast du morgen Zeit?«
    Natürlich nicht. Er hatte seit Jahren keinen Tag mehr gehabt, der nicht verplant gewesen wäre. Wenn er Zeit haben wollte, musste er sie sich nehmen.
    »Klar«, sagte er. Das Seminar konnte er schwänzen und sich stattdessen von Will Burton aus H-5 schlaumachen lassen. Der Termin mit den Technikern, die für ihn arbeiten würden,

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