Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Adressbuch, was das anbelangte.
Nein, es war die Jagd, die ihn reizte. Das Opfer einzukreisen, zu stellen und schließlich zu erlegen. Der Widerstand.
Die Herausforderung, mit einem Wort.
»Guten Morgen, Mister Bennett«, sagte Will, der Pförtner, als James das Clubhaus betrat. Will war ein junger Schwarzer, nicht ganz so devot wie sein Vorgänger, aber okay.
»Morgen, Will«, erwiderte er. Natürlich besaß James einen Clubausweis, doch er legte Wert darauf, ihn nicht zu benötigen. Sein Gesicht sollte genügen, um ihm alle Türen zu öffnen.
Terry war schon da. Er sah sie gleich, als er den Platz betrat; und – Junge, Junge, sah sie heiß aus! Zum Anbeißen. Ganz in Rot und ganz viel Haut. Hätte man sich nicht besser bestellen können.
Sie stand mit Charly über einem Trolley und ließ sich die verschiedenen Golfschläger erklären. Man konnte aus hundert Fuß Abstand sehen, wie der gute alte Charly die Schläger immer so hielt, dass er hervorragende Sicht auf ihren Ausschnitt hatte. James steckte zwei Finger in den Mund und pfiff.
Das setzte dem Techtelmechtel sofort ein Ende. Dass sie nicht gerade cheerleadermäßig in die Höhe hüpfte, war alles; sie ließ Schläger Schläger sein und winkte ihm aufgeregt zu, während er gemächlich näher kam.
Sie war tatsächlich aufgeregt! Sehr gut. James grinste. Das war die halbe Miete.
Aus der Nähe sah sie noch appetitlicher aus. Ihr Höschen war nicht nur knallrot, es war auch knalleng. Man sah alles, ihren Po, eine aufregende Falte vorne … Trug sie überhaupt einen Slip? Man hatte nicht den Eindruck.
Ringelsöckchen in roten Sportschuhen, passend zu dem kessen Käppi. Aus dem ragte ihr Pferdeschwanz und glänzte in der Sonne wie pures Gold. Einzig das Oberteil war etwas ordinär, mit Pailletten über einem wilden Muster, das manche Leute vermutlich für modisch hielten. Aber egal, der Ausschnitt war groß genug, um einem die Eier hart wie Golfbälle werden zu lassen. Und darum ging’s ja schließlich.
Was für ein Tag! Der Himmel strahlte in tiefem Blau, fast wolkenlos, der Rasen leuchtete in sattem Grün, Scharen von Vögeln jagten einander zwitschernd irgendwelche Beute ab. Schon jetzt spürte man, dass es ein heißer Tag werden würde, ungewöhnlich früh im Jahr. War das Leben nicht großartig?
Auf dem Weg zum ersten Abschlag fragte er sie aus, was sie so an Theorie draufhatte. Wie es sich herausstellte, war sie eine, die ihre Hausaufgaben machte. Handicap, Par, Score, Hole-in-one, Bogey und so weiter, das waren ihr alles Begriffe.
»Was studierst du noch mal?«, musste er nachfragen.
»Kunstgeschichte«, erwiderte sie und ließ ihren Pferdeschwanz wippen. »Ich interessiere mich für die schönen Dinge des Lebens.«
»Na, so ein Zufall. Ich auch«, sagte James grinsend. Es war einfach so: Die schärfsten Weiber studierten alle Kunstgeschichte. Von Naturwissenschaften dagegen hielten sie sich fern. Abgesehen von Charlotte; die war die rare Ausnahme, die die Regel bestätigte.
Aber sicher war es nicht sinnvoll, jetzt an sie zu denken.
»Und woher kommst du?«, fragte er.
»Aus Ohio.«
»Ohio ist groß.«
Sie seufzte. »Also, das Kaff hat natürlich ’nen Namen, aber den hast du noch nie gehört, und da hast du auch nichts verpasst.«
»Okay«, meinte James. Ihm doch egal, woher sie kam. »Hast du Geschwister?«
»Einen Bruder. Aber ehrlich gesagt würde ich gerade lieber nicht über meine Familie reden.«
»So schlimm?«
Sie zog eine Schnute, die wohl Missfallen zum Ausdruck bringen sollte, aber einfach nur süß aussah. »Die sind alle so eng . Ich kann mit denen nicht reden. Sie wollen nicht verstehen, dass ich freiere Ansichten habe als sie. Dass ich das Leben genießen will.«
Freiere Ansichten. Das Leben genießen. Guter Plan, Terry-Mäuschen. Damit würden sie jetzt gleich anfangen.
»Du bist also das schwarze Schaf«, konstatierte James und stellte seinen Trolley neben dem Abschlagspunkt ab. »Oder eigentlich das rote Schaf, wenn ich dich so anschaue.« Er schaute sie an, mit seinem besten Röntgenblick.
Sie kicherte, machte eine kecke Bewegung, die ihre Glocken appetitlich schwingen ließ. »Ein Schaf? Fällt dir nichts anderes zu mir ein?«
Er tat, als müsse er angestrengt nachdenken. »Schäfchen? Lamm?«
»Bist du dann der Wolf?«
»Du hast mich durchschaut«, erklärte er und machte sich daran, einen geeigneten Schläger auszuwählen. »Ich hab zwar grade gefrühstückt, aber du könntest einen guten Mittagsimbiss
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