Herr Bofrost, der Apotheker und ich
und viel zu selbstverliebt. Er sieht zwar ganz passabel aus und hat zudem auch noch alle Haare auf dem Kopf, aber dafür fehlt es ihm an Feingefühl. Christian hat ihn in der Klinik kennenlernt. Anfangs konnten die beiden sich nicht ausstehen, aber dann haben sie entdeckt, dass sie den gleichen schrägen Sinn für Humor haben. Mittlerweile ist Achim nicht nur sein Lieblingskollege, sondern auch sein Sportpartner. Die beiden werden gleich im Fitnessstudio ordentlich schwitzen und Herz und Kreislauf gehörig in Schwung bringen, bevor sie gut gelaunt ihren Dienst in der Klinik antreten.
Immerhin verhält sich Christian seit etwa vier Monaten sehr konsequent. Er ist geradezu sportsüchtig. Außerdem hat er mehr als die Hälfte der Kilos abgenommen, die ich mir nach und nach angefuttert habe, was eigentlich bewundernswert ist.
Das süße Frühstück hat gutgetan. In aller Ruhe räume ich das Geschirr weg, dann gehe ich wieder ins Badezimmer.
Ich ziehe mich aus und betrachte mich kritisch im Spiegel. Meine Figur ist eigentlich gar nicht so übel. Außerdem kommt es doch sowieso nur auf die richtige Körperhaltung an. Also straffe ich meine Schultern, ziehe meinen Bauch ein und schiebe meinen Busen etwas nach vorne. Optisch wirke ich gleich ein paar Kilo leichter. Mich wohlwollend anlächelnd, drehe ich mich zur Seite … aber das hätte ich lieber bleiben lassen sollen. Erschrocken rücke ich etwas vom Spiegel ab, doch das macht die Sache auch nicht besser.
Ich hatte nie einen übermäßigen Bauch, meine Pfunde haben sich immer gleichmäßig um meinen gesamten Körper angelegt, mit leichter Präferenz am Hintern. Heute habe ich ganz augenscheinlich einen Bauch, mit dem ich mindestens drei Kinder ausgetragen haben könnte. Ich kann mich anstrengen wie ich will, die Wölbung rund um meine Körpermitte verschwindet auch nicht, wenn ich versuche, die Speckrollen einzuziehen.
Deswegen lasse ich meinen Blick schnell wieder weiter nach oben wandern. Zu schlanke Frauen sehen häufig sehr mürrisch und verkniffen aus, besonders wenn sie regelmäßig ins Solarium gehen. Die UV-Strahlung trocknet die Haut aus und lässt sie um einige Jährchen älter wirken. Ich hingegen habe ein sehr schönes Gesicht und noch gar keine Falten.
Und wie sagte Christian noch gleich? Du bist nicht fett, du bist eine Frau.
Ja, das bin ich. Und wenn ich ehrlich bin, sind es gar nicht meine überflüssigen Pfunde, die mich stören. Es ist vielmehr die Tatsache, dass Christian seit ein paar Monaten total sportbegeistert ist und etliche Kilo abgenommen hat.
Irgendwie fühlte ich mich wohler und vor allem mit ihm verbundener, als er auch mit seinem Gewicht kämpfte – und gemütlicher war er auch. Besonders wenn er sich abends neben mich auf die Couch kuschelte und wir genüsslich die kleinen Appetithäppchen verspeisten, die ich für unseren heimeligen Fernsehabend vorbereitet hatte. Aber die darf ich ja nun nicht mehr zubereiten. Seit einiger Zeit gibt es zum Snacken nur noch einen kargen Obstteller ohne Bananen, Nektarinen und Trauben, da darin zu viel Fruchtzucker und böse Kalorien stecken.
Das macht die Fernsehabende um einiges uninteressanter für mich. Vor allem, weil das mit dem Kuscheln dabei auch irgendwie eingeschlafen ist. Christian liegt nämlich seit Neuestem beim Fernsehen lieber rücklings auf dem Boden, die Beine angewinkelt auf der Couch: Sit-Ups für die Bauchmuskulatur. Anfangs musste ich darüber lachen, doch nachdem Christian tatsächlich versucht hat, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, und mich allen Ernstes gebeten hat, im Wohnzimmer nichts Ungesundes mehr zu essen, ist mir das Lachen vergangen.
Rumjammern bringt mich jetzt allerdings auch nicht weiter. Deswegen entspanne ich meine kritisch verzogene Stirn und schenke mir ein aufmunterndes Lächeln. Mit einem Wisch putze ich die Frühstücksspur aus meinem Gesicht, die Christians Eiweißmund auf mir hinterlassen hat. Dann springe ich unter die Dusche und mache mich kurz danach auf den Weg in die Innenstadt, um das perfekte Kleid für meine Rundungen und die Feier in drei Wochen zu finden.
Kapitel 3
Pfunde an den richtigen Stellen können auch vorteilhaft sein
Ich gehe nicht gerne shoppen, zumindest was Klamotten angeht. Würde man mir 1000 Euro in die Hand drücken und mich vor die Wahl stellen, diese entweder für Kleidung oder Lebensmittel auszugeben, würde ich ohne zu überlegen die letztere Variante wählen. Auf meine Einkaufsliste würde ich erstbestes
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