Herr Bofrost, der Apotheker und ich
zurück. »Du kochst immer besser, Lena.«
Auch ich legte mein Besteck auf den Teller. Und fühlte mich ein wenig wie ein Maurer, der endlich die Kelle fallen lassen darf Feierabend! Ich hatte geleistet, was von mir erwartet worden war, und es war heute überraschend einfach gewesen. Normalerweise bereitete ich mich auf ein Familienessen tagelang vor, wälzte unzählige Kochbücher, ent- und verwarf ein Dutzend Menüs, bevor ich mich daran machte, lange Einkaufslisten zu erstellen. Dieses Essen aber hatte ich komplett vergessen, und siehe, so ging es auch. Besser sogar. Ich nahm mir vor, in Zukunft auf das ganze Theater zu verzichten. Wenn ich nur ein paar Dosen und Tiefkühlpackungen öffnete und irgendein hochwertiges Stück Fleisch in die Pfanne knallte, waren offensichtlich alle höchst zufrieden.
»Was gibt's denn zum Nachtisch?«, erkundigte sich Holger.
Ich schreckte auf. Griff noch einmal zur Kelle. »Eis mit ...«, sagte ich ratlos, fing mich jedoch schnell. »Lasst euch überraschen!«
Nachtisch fand ich so überflüssig wie das Bügeln von Handtüchern, aber in der Familie Spenger sah man das anders. Also, was hatte ich noch da? Vanilleeis, damit war ich auf jeden Fall schon mal auf der sicheren Seite. Und was dazu? Apfelkompott? – Ach nee, das stammte aus Mama Spengers Garten, und ich hatte es ihnen gerade an Weihnachten, veredelt mit Nüssen und einem halben Liter Calvados, vorgesetzt. Himbeeren aus der Truhe? – Fehlanzeige. Aber da war ja noch eine ganze Schachtel ›Mon Cheri‹. In Windeseile wickelte ich sie alle aus und warf sie in eine Edelstahlschüssel. Setzte Wasser auf und hängte die Schüssel über den Topf. Holte Nachtischschälchen hervor und verteilte das Eis. Die ›Mon Chéri‹ schmolzen vorschriftsmäßig, allerdings auch bedenklich im Volumen. Verzweifelt starrte ich auf die kümmerliche Masse. Das reichte nicht einmal für zwei Portionen! Egal! Ich hatte noch einen Becher Sahne, und eine Tafel Schokolade fand ich auch noch. Zum Schluss veredelte ich das Ganze noch mit dem Rest Cognac, mit dem ich mich vor Jahren einmal an einem flambierten Rehrücken versucht hatte (kein Erfolg übrigens). Irgendwie würde es schon schmecken. Zumindest sah es sämig und cremig aus und roch ziemlich gut.
Ich angelte eine Suppenkelle vom Haken und verteilte meine Sauce gerecht auf alle fünf Schälchen. Nur meines bedachte ich etwas bescheidener. Ich hatte wirklich absolut keinen Appetit mehr.
Die Familie war begeistert. Sie löffelten die Schälchen klappernd leer, unterbrachen sich nur, um mich in den höchsten Tönen zu loben, und Mama Spenger wollte unbedingt das Rezept für die raffinierte Sauce haben. Ich versprach es ihr aufzuschreiben und hoffte, dass sie es vergessen würde. Ich konnte ihr unmöglich verraten, was ich da zusammengemanscht hatte. Das war ja, als schriebe ich die Kochanleitung von »Spaghetti Mirácoli« ab und präsentierte sie ihr als Gourmet-Rezept! Peinlich!
Danach verteilten wir uns im Wohnzimmer. Mama und Papa Spenger lehnten jeweils in einer Ecke des großen Sofas, Kerstin und ich saßen auf dem kleinen und Holger thronte in dem breiten Sessel. Auf dem schwarzen Marmortisch funkelte der Barolo in den Gläsern, und ich hatte, wie das erwartet wurde, Salzstangen und Erdnüsse kredenzt. Nur vor Kerstin stand ein Schälchen mit ungesalzenen Kürbiskernen.
Nun konnte ich wirklich die Kelle fallen lassen. Für Nachschub an Wein würde Holger sorgen, ich hatte für heute meine Schuldigkeit getan. Abgesehen von der unwesentlichen Tatsache, dass ich die Küche noch aufräumen musste.
Erschöpft kuschelte ich mich in die Sofaecke und hörte mit halbem Ohr zu, wie Holger und Papa Spenger sich über ihre Erfahrungen mit der Gesundheitsreform austauschten, die heute in Kraft getreten war. Offensichtlich hatten sie sich nicht nur das Gemecker über erhöhte Zuzahlungen zu Arzneimitteln anhören müssen, sondern viele Kunden hatten noch einmal ihre Empörung über die nun fällige Praxisgebühr geäußert. Und das Geschäft war schlecht gelaufen. Kein Wunder, dass Holger so miesepetrig nach Hause gekommen war.
Andererseits fragte ich mich, worüber er sich eigentlich so aufregte. Er würde auch in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch ganz anständig verdienen, jedenfalls mehr als eine Verkäuferin bei Wal Mart, und die arbeitete ja nun wirklich hart. Außerdem hatte die Familie Spenger ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Papas Apotheke lag mitten in der
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