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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Fußgängerzone und lief sowieso bombig, und Holgers Laden befand sich in einem Ärztehaus in der Nähe eines Neubaugebiets voller gut situierter, kinderreicher Akademiker. Mit dem Geld, das sie in den letzten Jahren gescheffelt hatten, würden sie auch dann nicht am Hungertuch nagen, wenn es noch eine zehnte Stufe der Gesundheitsreform geben sollte.
    Auch Kerstin schien sich zu langweilen. Sie spielte mit den Fransen der Tischlampe, die auf dem Beistelltisch neben dem Sofa stand, und hörte offensichtlich überhaupt nicht zu. Als sie anfing, die Fransen zu Zöpfchen zu flechten, wurde ich unruhig. Diese Lampe war schon scheußlich genug, aber mit Zöpfen würde sie vollends unmöglich aussehen. Sie war ein Geschenk der Eltern Spenger, daher musste sie da stehen. Auf immer und ewig.
    »Wisst ihr, was ich heute erfahren habe?«, platzte Kerstin in eine Gesprächspause. »Die Frau von dem Arsch ist schon wieder schwanger!« Sie blickte anklagend in die Runde und leerte nervös ihr Glas.
    »Der Arsch« war Kerstins Exmann. Mit bürgerlichem Namen hieß er Björn Wessel, aber seit er Kerstin verlassen hatte, war er »Der Arsch«.
    »Kerstin, musst du dich immer so ausdrücken?!« Holger hasste Kraftausdrücke, doch in diesem Falle protestierte er mehr der Form halber.
    »Woher weißt du das?«, fragte Mama Spenger.
    »Claudia hat es mir erzählt. Sie hat die beiden gesehen. Das Weib muss mindestens im siebten Monat sein. Also wirklich, die beiden werfen wie die Karnickel!« Kerstin machte eine grimmige Miene.
    »Ach, Kerstin, das ist ja schrecklich! Es tut mir so Leid für dich.« Mama Spengers Stimme triefte vor Mitleid. Doch nach dieser Pflichtübung tiefen Bedauerns richtete sie sich auf und erklärte zum hundertsten Male: »Aber du solltest froh sein, dass du diesen Kerl los bist. Er war nie vertrauenswürdig. Ich verstehe gar nicht, wie wir uns so in ihm haben täuschen können.« So war Mama Spenger. Wenn einer in der Familie denn doch tatsächlich einmal einen Fehler machte, waren alle dafür verantwortlich. Wir hatten uns in den falschen Mann verguckt, nicht etwa Kerstin allein.
    »Also, ich habe nie viel von ihm gehalten, mir kam er von Anfang an ein bisschen windig vor.« So war Holger. Von Kollektivschuld hielt er nicht viel.
    Kerstin protestierte: »Nein, das war er nicht! Dieses Weib hat ihn verhext! Mit Voodoo oder so was. Wenn ich etwas geahnt hätte, hätte ich bestimmt Gegenkräfte aktivieren können, aber ich war ja so ahnungslos und vertrauensvoll.« Sie schniefte und sank resigniert in sich zusammen.
    Ich auch. Wenn Kerstin mit dieser Masche anfing, fiel mir nichts mehr ein. Meiner bescheidenen Meinung nach hatte eine einigermaßen hübsche Frau keineswegs jenseitige Mächte bemühen müssen, um Kerstin und den armen Björn auseinander zu bringen. Das hatte Kerstin mit ihrem Körnerfraß, den muffigen Kräutertees, ihren endlosen Yoga-Sitzungen und aufdringlichen Pendelaktionen ganz allein besorgt.
    »Du solltest mehr unter Leute gehen, Kerstin«, sagte Mama Spenger nun. »Wenn du immer nur mit deinen Kolleginnen aus dem Kindergarten zusammenhockst, lernst du nie einen neuen Mann kennen. Und genau das brauchst du!«
    Kerstin schnaubte. »Quatsch! Ich brauche einen neuen Mann so wenig wie deine guten Ratschläge!« Sie erschrak über ihre eigene Heftigkeit und setzte etwas versöhnlicher hinzu: »Männer sind sowieso Arschlöcher.« Damit ließ sie sich zufrieden in ihre Sofaecke sinken und begann wieder, Zöpfchen zu flechten.
    Dieses Thema hatten wir also durch. Für heute. Kerstin war seit zwei Jahren von Björn getrennt, trotzdem war »Der Arsch« immer noch ein Dauerbrenner. Nun aber plauderten wir ein wenig über das Theaterprogramm der nächsten Wochen, den plötzlichen Tod der kinderlosen Frau Werner, einer Nachbarin der Eltern Spenger, und was wohl aus ihrem Haus werden würde, die Wetteraussichten und darüber, dass demnächst einmal jemand von uns nach dem Ferienhaus im Schwarzwald gucken müsse.
    Gegen zwölf brachen sie auf. Ich war inzwischen so müde, dass mich die Unordnung in der Küche keinen Fatz mehr interessierte. Im Übrigen würde sie auch morgen noch da sein, darüber brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.
    Im Bett kuschelte ich mich an Holgers Schulter und schloss die Augen. Vor meinen Lidern tanzten grüne Pünktchen.
    * * *

Als ich am nächsten Morgen schlaftrunken in die Küche torkelte, traute ich meinen Augen nicht. Sie war blitzsauber, die Spülmaschine lief, es

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