Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
Vom Netzwerk:
Kuscheltiere, nahm das eine oder andere in die Hand. Viel verstand ich nicht davon, konnte den Wert unmöglich schätzen, zweifelte aber keinen Moment lang, dass er beachtlich war.
    Der Professor führte mich in den oberen Stock. In das Schlafzimmer der Tante. Auf einem Doppelbett, das mit einer rosafarbenen Tagesdecke, von der Rüschen wallten, überzogen war, saßen wieder Teddys. Jede Menge. Auf einer Kommode auch. In einem Sessel saßen Puppen. Davon verstand ich noch weniger, aber ich erkannte, dass sie alt waren. Und irgendwie besonders. Nicht so süßlich, sondern mit ausdrucksstarken Gesichtern.
    »Mensch, Gerd, das ist ja unglaublich! Und das wollten Sie alles in der Garageneinfahrt verkloppen? – Ich fass es nicht!«
    Er hob hilflos die Schultern. »Wie soll ich denn ahnen, dass das was wert sein könnte. Wenn hier ein paar Expressionisten herumgehangen hätten, dann hätte ich wohl gemerkt, dass das was ist, aber doch nicht so'n Kinderkram!«
    Ich lachte. Wir setzten unseren Rundgang durch das Haus fort, landeten schließlich im Keller. Er roch ein wenig muffig, wahrscheinlich war hier lange nicht gelüftet worden. In einem großen Raum, der direkt unter dem Wohnzimmer liegen musste, reihten sich an den Wänden alte Schränke voller Geschirr. Und es war nicht von Karstadt. Ich nahm vorsichtig eine hohe, verschnörkelte Suppenterrine heraus und drehte sie um. Meißen. Eine Sauciere. Meißen. Eine Kaffeekanne. Hutschenreuther. Hinter einer anderen Schranktür entdeckte ich zu meinem Entzücken ein paar alte Blechdosen. Sie waren in einem phantastischen Zustand, ohne Rostflecke, die Farben leuchtend. Kaba, Bahlsen, Heimbs Kaffee, Maggi ... ein Traum! Ich nahm eine kleine, eckige Eduscho-Dose in die Hand und betrachtete sie genauer. Auf der Vorderseite waren drei Damen beim Kaffeetrinken abgebildet, mit dem typischen Bubikopf und den losen Hängekleidern der zwanziger Jahre.
    Der Professor stand sehr dicht neben mir, ich konnte sein Rasierwasser riechen. Es roch herb, wie Wald im Sommer. Ich drehte die Dose um. »Eduard Schopf Bremen« stand da, und ich begriff zum ersten Mal, warum Eduscho Eduscho heißt. »Sie ist wunderschön«, flüsterte ich. Ich weiß nicht, warum ich flüsterte, aber mir schien, das war immer noch besser, als überhaupt nichts zu sagen.
    Der Professor nahm mir die Dose sanft aus der Hand. Stellte sie zurück in den Schrank. Hob mit den Fingerspitzen mein Gesicht zu sich auf. Und küsste mich. Gar nicht sanft. Drängte sich an mich, atmete schwer. Und ich? – Ich fiel ihm entgegen, schwach vor Lust. Fuhr mit der Hand unter sein Hemd, wollte seine Haut spüren. Als ich seine Hand unter meinem Pullover fühlte, rückte ich ein wenig ab, um es ihm leichter zu machen. Stöhnte auf, als er meine Brustwarze drückte. Spürte seine Berührung bis tief in den Bauch, stöhnte auf, schob mich ihm entgegen. Ich wollte ihn, jetzt und hier, in diesem muffigen Kellerzimmer.
    Die Türklingel riss uns aus unserem Taumel. Wir fuhren auseinander, wie ertappt.
    »Scheiße«, sagte er.
    Ich sagte nichts. Scheiße, dachte ich. Und: Gott sei Dank! Fand dann doch meine Stimme wieder: »Los, geh schon.«
    Ich folgte ihm langsam. Verharrte auf der Kellertreppe. Wer immer es sein mochte, der da geklingelt hatte, ich war sicher, er würde sofort kapieren, was hier gerade geschehen war, wenn er mich sah.
    Es war der Briefträger. Mit einem Einschreiben. Solch profane Dinge können manchmal die Ordnung der Welt retten.
    Ich trat erst in den Flur, als der Professor die Haustür wieder geschlossen hatte.
    Er wandte sich zu mir um und sah mich unschlüssig an. »Ich koche uns mal Tee«, sagte er schließlich. Es klang heiser.
    Ich nickte und folgte ihm in die Küche. Ich quetschte mich auf einen Stuhl hinter dem Tisch. Es war eine triste, braune Küche mit abgestoßenen Holzfronten. Wahrscheinlich war sie so alt wie das Haus.
    Ich beobachtete den Professor, wie er Wasser in den Kessel laufen ließ und zwei Porzellanbecher aus dem Schrank holte und mit den Fingern Tee aus einer silbernen Dose nahm. Mit den Fingern, die eben noch ... Nein, Helena!
    Es war schon merkwürdig. Schon wieder guckte ich einem Mann zu, der für mich Tee kochte. Schon wieder wäre ich fast abgerutscht vom glatten Weg der Tugend. Was war nur mit mir los? – Aber nein, dies war nicht meine Schuld. Er hatte angefangen!
    Aber ich hatte reagiert. Und wie.
    Der Professor stellte den Becher Tee vor mich auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber.

Weitere Kostenlose Bücher