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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Baguette und jede Menge Käse. Da ich von Holgers Henkersmahlzeit kaum gegessen hatte, stürzte ich mich auf das Essen, aber Laura gönnte mir nichts. Sie nahm mir das Stück Camembert aus der Hand und biss hinein. »Erst erzählst du!«, verlangte sie kauend.
    Also berichtete ich von neuem. Diesmal konnte auch Katharina der Geschichte etwas Vergnügliches abgewinnen, sie amüsierte sich königlich. Und mir wurde klar, je häufiger ich die Ereignisse der letzten Tage zum Besten geben würde, desto komischer würde ich sie finden.
    * * *
    Am nächsten Morgen war mir allerdings nicht mehr so zum Lachen zumute. Ich lag noch verträumt im Bett, Laura schlief, die Bettdecke im Arm, neben mir, als ich ein Auto mit quietschenden Bremsen vor dem Haus halten hörte. Schwere, schnelle Schritte kamen die Einfahrt hoch. Wütendes Klingeln.
    Mein Herz raste. »Laura!« Ich rüttelte sie. »Laura, wach auf! Holger ist hier!«
    Sie war sofort hellwach. Das Training einer Ärztin, die oft genug Notdienst geschoben hatte. »Versteck dich im Schrank! Der Dachboden wäre zwar besser, aber das schaffen wir nicht mehr! Los, ab!« Sie stieß mich unsanft in den alten Bauernschrank, wo ich mich zwischen Katharinas und Ninas Wintermäntel drängte. Ich zog die Tür zu und versuchte, eine einigermaßen bequeme Position zu finden, in der ich es eine Weile aushalten konnte, verfluchte – lautlos natürlich – die Schuhkartons, die sich auf dem Schrankboden stapelten. Ergonomisch waren sie höchst ungünstig verteilt, und eine spitze Ecke bohrte sich schmerzhaft in meinen nackten Oberschenkel. Und staubig war es hier! Wenn ich bloß nicht niesen musste! Das wäre wirklich der Klassiker: Die in knapper Not entronnene Heldin verrät sich durch einen banalen Reflex, fällt wieder in die Hände des Monsters ... Stoff für eine Endlos-Serie. Vielen Dank!
    Ich presste die Nase zwischen die Knie und atmete gleichmäßig. Ich lauschte mit Riesenohren, brauchte mich allerdings nicht sonderlich anzustrengen.
    »Wo ist sie?« Holger polterte ins Haus. Katharina oder Nina hatten ihm offenbar aufgemacht.
    »Lena? Suchst du Lena?« Ninas Stimme, vollkommen überrascht.
    »Wen denn sonst!« Holger, wutschnaubend. »Sie ist hier! Ich weiß es!«
    »Lena? Hier?« Katharina. Sie klang so perplex, als hätte Holger den Verdacht geäußert, sie verstecke Michael Jackson unter ihrem Bett.
    »Wir wüssten selbst sehr gern, wo sie steckt! Was hast du mit ihr gemacht?« Nina, resolut, angriffslustig. Das war gut!
    »Wir haben seit Tagen nichts von ihr gehört und machen uns die allergrößten Sorgen!« Katharina, die den Ball sofort aufgefangen hatte.
    »Ach, tut doch nicht so scheinheilig, ihr lesbischen Kühe! Ich weiß genau, dass sie hier ist!«
    Ein Poltern, ein Krachen, ein Aufschrei. Katharinas Schrei. Holger hatte sie an die Wand geschleudert, seine Schritte kamen näher. Plötzlich war er unmittelbar neben mir. »Lena!« Seine Stimme dröhnte in meinen Ohren. Und nun sah ich ihn auch durch den Spalt in der Tür. Er zerrte die Bettdecke weg und erstarrte. Vor ihm lag, splitternackt – Laura. Sie hob träge eine Hand, rieb sich die Augen, als erwachte sie aus tiefem Koma. »Max?«, murmelte sie schlaftrunken.
    Holger packte ihren Arm, die Knöchel an seiner Hand traten weiß hervor. »Sag mir sofort, wo sie ist, du Miststück!«
    Laura wand sich, aufreizend lasziv. »Wer?« Sie schlug die Augen auf.
    »Lena natürlich! Komm, Laura, stell dich nicht noch dümmer an, als du bist!«
    »Lena? Welche Lena?« Laura sah verwirrt zu ihm auf. Sie hatte absolut keine Hemmungen, sich dümmer zu stellen, als sie war.
    Holger ließ sie los, mit einem wütenden, gemeinen Stoß, wandte sich dem Schrank zu. Ich sah seine Augen ganz nah, kaltblau, blutunterlaufen. Seinen Mund, verzerrt, ein fieses, rotes Mal inmitten schwarzer Bartstoppeln. Den Typen fand ich mal attraktiv? fuhr es mir durch den Kopf Ich schloss die Augen, hielt den Atem an. Und dachte: So ist das also. Nicht die große Erkenntnis, nicht die Quintessenz deines Lebens offenbart sich dir angesichts des Todes, nein, du bleibst banal, Lenchen, wie immer. Du stirbst, und das Letzte, was du denkst, ist, dass dein Mörder nicht so bezaubernd aussieht.
    Und dann hörte ich es krachen. Ich öffnete die Augen wieder. Kein Holger mehr zu sehen, stattdessen Nina, im weißen Morgenmantel, den riesigen, bronzenen Kerzenständer aus dem Flur in der Hand. Dahinter kniete Laura im Bett, die Decke um sich gerafft und kicherte

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