Herr Bofrost, der Apotheker und ich
furchtbar unglücklich war. Weißt du, ich hab immer gedacht, ich sei so geborgen bei Holger, aber in Wirklichkeit war ich grotteneinsam. Darum hab ich mich in Steffen verliebt. Mit ihm konnte ich reden, er interessierte sich! Für Holger war ich doch nur ein besseres Hauspusselchen mit Familienanschluss. Hauptsache, das Essen stand pünktlich auf dem Tisch, sonst interessierte es ihn doch einen Scheißdreck, was ich machte.«
»Das stimmt nicht«, unterbrach mich Laura. »Als Zuchtstute hast du ihn schon interessiert.«
Ich nickte grimmig. »Ja. Das war auch noch so was. – Weißt du, ich denke, ich habe schon viel länger gespürt, dass alles nicht so toll ist, aber ich habe es mir nie wirklich eingestanden. Und als ich dann Steffen kennen gelernt habe und wir darüber geredet haben, dass man im Leben unendlich viele Möglichkeiten hat, ist mir erst klar geworden, dass ich von diesen vielen Möglichkeiten eigentlich eine ziemlich beschissene gewählt hatte.«
Laura schenkte uns Wein und Wasser nach. »Lenchen, du musst dich doch nicht rechtfertigen! Ich bin heilfroh, dass du dich endlich von Holger getrennt hast. Ich fand es schrecklich mit anzusehen, wie du dich verändert hast. Du warst so ... so ... so freudlos. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber man hat dir einfach angemerkt, dass du nicht glücklich warst.«
»Nein, das war ich auch nicht. Schon lange nicht mehr.« Inzwischen war es dunkel geworden. Eine Motte flatterte um das Kerzenglas. »Aber ich hatte mich irgendwie eingerichtet. Mit Holgers Familie und allem. Ich gehörte dazu, das fand ich schön.«
»Und? Fehlt dir das jetzt?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich bin selbst überrascht, wie leicht mir die Trennung fällt. Vielleicht liegt es daran, dass ich in der Familie gar nicht wirklich wahrgenommen wurde. Ich war nur Holgers Frau, keine eigenständige Persönlichkeit.«
Laura stippte den Finger in die Mayonnaise und leckte ihn nachdenklich ab. »Aber Mama Spenger war doch anders, oder? Was du da von eurem letzten Gespräch im Georgenhof erzählt hast ...«
»Ach, da hatte sie einen im Kahn! Nein, Laura, letztendlich zählt für sie auch nur die Familie als Ganzes. Schon aus Selbsterhaltungstrieb. Sieh mal, wenn sie wirklich zugäbe, dass meine Entscheidung, mich von Holger zu trennen, richtig war, müsste sie ihre eigene Entscheidung von damals doch eigentlich infrage stellen. Das wäre ziemlich bitter, oder?«
»Tja, vielleicht. Aber immerhin hatte sie damals zwei kleine Kinder und insofern ganz andere Voraussetzungen.«
»Auch wieder wahr. Aber wenn man sich Kerstin und Holger heute so anguckt, muss man sich ja echt fragen, ob sie es wert waren«, sagte ich bissig.
Laura lachte. »Du hast Recht. Aber das wird Mama Spenger wohl anders sehen. – Doch das war eigentlich gar nicht unser Thema. Was ist denn nun? Warum rufst du ihn nicht einfach an?«
»Wen?«
»Na, Steffen natürlich!«
»Würdest du das an meiner Stelle tun? Nach dem Fiasko im ›Casa Mia‹? Nach mehr als acht Wochen?«
Laura schwieg. Sie schnitt eine Olive auf, legte eine Krabbe hinein und schob sie in den Mund. »Nein. Auf keinen Fall.«
»Na also. Also ist nichts. Das hab ich vergeigt.«
Laura schien auf den Geschmack gekommen zu sein. Sie bereitete sich ein weiteres Oliven-Krabben-Häppchen. »Ist aber doof, was?«
Ich tauchte ein Stück Forellenfilet in die Mayonnaise. »Das kannst du laut sagen.«
»Und wenn du ihm mailst?«
»Würdest du das tun? Nach dem Fiasko im ›Casa Mia‹? Nach mehr als acht Wochen?«
»Nee. Wohl eher nicht.« Jetzt häufte sie einen Löffel Krabben auf ein Salatblatt, rollte es zusammen und kleckste Mayonnaise darauf. Sie schleckte sich schmatzend die Finger ab und sah mich fragend an. »Also?«
»Kein also. Laura, glaub doch nicht, dass ein Typ wie Steffen nicht längst eine andere gefunden hat! Da mache ich mich doch nicht lächerlich und baggere hinter ihm her! Das Ding ist gelaufen.«
»Meinst du?«
»Ja. – Außerdem, was sollte ich tun? Ich mach mich nicht zum Affen!«
Laura zog die Salatschüssel zu sich heran und machte sich darüber her. »Aber einen Versuch wär's doch wert. Mehr als nein sagen kann er schließlich nicht.«
»Und wie peinlich wäre das? – Nee, das tu ich mir nicht an. Nie im Leben!« Ich schenkte mir viel Wein und wenig Wasser nach.
»Stolz ist aber auch Scheiße«, stellte Laura fest und pulte sich die Kräuterreste aus den Zähnen.
»Was würdest du denn tun?«, fragte ich.
Sie
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