Herr Bofrost, der Apotheker und ich
sah ich – die Pistole. Schwarz und glänzend. Fest auf Holgers Brust gerichtet.
Au Mann! Das war ja richtig dramatisch! Wollte er Holger etwa so ins Treppenhaus jagen? Also, nee – dachte er denn gar nicht an Lauras Ruf?
Ich trat einen Schritt aus der Badezimmertür. Jetzt erst sah ich Laura, die breit grinsend in der Küchentür stand, wohlweislich außerhalb der Schusslinie.
Sehr ruhig, damit Max nicht vor Schreck aus Versehen abdrückte, sagte ich: »Max, warte. Er soll sich wenigstens noch anziehen.«
Holger sah mich hasserfüllt an. Dann glotzte er wieder Max an. Angsterfüllt.
Max wandte nicht den Kopf Er zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Aber«, seine Stimme wurde hart, »keine Mätzchen, du Pfeife. Sonst puste ich dich um!«
Holger nickte bibbernd und legte seine Kleider vor sich auf den Boden. Mit fahrigen Bewegungen zog er sich an, ungelenk unter unserer unbarmherzigen Beobachtung. In Hemd und Hose schien er sich schon wesentlich sicherer zu fühlen, und mit der Krawatte legte er sogar etwas wie Kampfgeist an. Jedenfalls warf er mir einen kühlen Blick zu. »Tolle Freunde hast du! Direkt aus dem Rotlichtmilieu, was?! Kannst du mir mal erklären, was das hier alles soll?«
Ich trat nun dicht neben Max. »Kannst du mir mal erklären, was du hier wolltest? – Jedenfalls nicht vernünftig reden, das war ja deutlich genug! Warum kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen?«
»Weil ich dich liebe! Ich dachte, wir könnten ...«
»Du liebst mich nicht! Dir geht es doch um nichts anderes als Besitzstandswahrung! Wenn du mich lieben würdest, würdest du mich nicht so behandeln!«
»Außerdem«, meldete sich Laura aus der Küche, »was hast du denn noch von einer Frau, die dich verabscheut? Was bringt dir das denn?«
Gute Frage! Auch Holger schien darauf keine Antwort zu wissen, sein Blick wanderte nervös zwischen uns dreien hin und her.
»Holger«, sagte ich friedlich, »gib doch auf. Ich komme nicht zurück. Es ist vorbei. Ich will nichts als meine Sachen aus dem Dachzimmer und die Scheidung.«
»Und sonst?« Holger schien sich an den Anblick der Revolvermündung gewöhnt zu haben, er wirkte plötzlich weniger ängstlich, eher sachlich interessiert.
»Sonst nichts. Ich verzichte auf meine Hälfte des Hauses und alles andere.«
Nun wurde er gierig interessiert. »Ist das dein Ernst?«
»Mein voller Ernst. Wenn du willst, gebe ich dir das jetzt und hier schriftlich. Mit Laura als Zeugin.«
Max' Namen erwähnte ich lieber nicht. Sollte Holger ihn ruhig für einen gedungenen Bodyguard vom Kiez halten, das würde ihn in Schach halten. Er musste ja nicht unbedingt wissen, dass es mein Lektor war, der hier die Knarre auf ihn richtete.
Ich beobachtete Holger genau. Wenn ich nicht gerade auf denkbar unangenehme Art und Weise am eigenen Leibe erfahren hätte, dass sich unter dem sommergrauen Jackett ein perverser Kussmörder verbarg, hätte ich ihn glatt für einen harmlosen Pillendreher gehalten. Ach, Lenchen, dein zweiter Name ist Gretchen!
Holger nickte mir zu. »Gut. Schreib das auf.«
Ich sah Max fragend von der Seite an.
»Geh nur«, sagte er, ohne Holger aus den Augen zu lassen. »Ich passe auf, dass er keinen Unsinn macht.«
Ich ging ins Wohnzimmer und kramte ein Blatt aus Lauras Sekretär.
Hiermit verzichte ich, Helena Spenger geb. Cornelius, auf jeglichen Anspruch am gemeinsamen Eigentum, das ich mit meinem Ehemann Holger Spenger teile. Das betrifft insbesondere Haus und Grundstück in Hameln sowie das Inventar.
Ausgenommen sind meine persönlichen Besitztümer, die sich im Dachzimmer befinden (Möbel, Bücher, Bilder, Pflanzen und diverser Kleinkram).
Im Gegenzug verpflichtet sich Holger Spenger, sofort in die Scheidung einzuwilligen und keine weiteren Versuche zu unternehmen, seiner Noch-Ehefrau aus dem Hinterhalt aufzulauern, um sie zu schlagen, zu küssen oder zu Hackfleisch zu verarbeiten.
An der juristischen Korrektheit dieses Schriftstücks hatte ich gewisse Zweifel, doch ich fand, es traf den Kern dessen, das mir am Herzen lag. Also sollte es reichen.
Ich schrieb den Text noch einmal auf ein zweites Blatt, setzte Datum und Unterschrift unter beide Ausfertigungen und trug sie in den Flur. Max, Holger und Laura hatten sich nicht vom Fleck gerührt.
Ich drückte Holger beide Papiere und den Kugelschreiber in die Hand. »Du unterschreibst das auch! Und danach Laura. Als Zeugin.«
Holger überflog die Zeilen und maß mich mit einem angewiderten Blick. Dann sah er Max an.
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