Herr der Daemmerung
schon, dass du einfach so springen würdest.«
Iona sagte nichts. Wenn er Vergebung wollte, würde er sie nicht bekommen.
Er holte erneut tief Luft und fuhr fort: »War ein ziemlich mieser Tag, richtig? Also, wie wär’s, wenn du ihn einfach vollkommen vergisst, und ehe du dich versiehst, wirst du wieder zu Hause sein.«
Jez konnte spüren, wie er mit seiner Macht das Bewusstsein des Kindes berührte. Ionas Augen flackerten, und sie sah Jez unsicher an.
»Es ist in Ordnung«, flüsterte Jez. »Es wird nicht wehtun.« Sie sah Iona weiter fest an und versuchte, sie zu trösten, während das, was Morgead suggerierte, langsam seine Wirkung entfaltete.
»Du brauchst dich nicht mehr daran zu erinnern«, sprach Morgead weiter, und seine Stimme war jetzt beschwichtigend. Sanft. »Also, warum schläfst du nicht einfach ein? Du kannst ein kleines Nickerchen machen ... und wenn du aufwachst, bist du zu Hause.«
Ionas Lider schlossen sich. In der allerletzten Sekunde warf sie Jez ein winziges, schläfriges Lächeln zu - es war nur der sachte Anflug eines Lächelns, aber diese Regung in Ionas Miene schien das Gefühl der Enge in Jez’ Brust zu lindern. Und dann lagen Ionas Wimpern schwer auf ihren Wangen, und ihre Atmung war tief und regelmäßig.
Jez richtete sich auf und legte das schlafende Kind sanft auf den Gehsteig. Sie strich einen verirrten Zopf zur Seite und beobachtete, wie sich die kleine Brust einige Mal hob und senkte. Dann schaute sie zu Morgead auf.
»Danke.«
Er zuckte die Achseln und stieß scharf den Atem aus. »Es war das Mindeste, was ich tun konnte.« Dann warf er ihr einen seltsamen Blick zu.
Und im gleichen Moment fiel es Jez siedend heiß ein. Sie war diejenige, die sich solche Sorgen um das Kind gemacht hatte - warum hatte sie dann Morgead gebeten, die Erinnerungen zu löschen?
Weil ich es nicht tun kann, dachte sie trocken. Laut sagte sie: »Ich bin wirklich ziemlich müde nach allem, was heute geschehen ist. Ich habe nicht mehr viel Macht übrig.«
»Ja ...« Aber seine grünen Augen waren leicht verengt und blickten forschend.
»Außerdem tut mir alles weh.« Jez streckte sich und prüfte zaghaft ihre Muskeln, wobei sie spürte, dass jeder Teil ihres Körpers protestierte.
Der forschende Blick verschwand sofort. Morgead beugte sich vor und begann sie besorgt und sanft abzutasten.
»Kannst du alles bewegen? Was ist mit deinen Beinen? Fühlst du dich irgendwo taub?«
»Ich kann alles bewegen, und ich wünschte, ich würde mich irgendwo taub fühlen.«
»Jez - es tut mir leid.« Er platzte ebenso unbeholfen damit heraus wie zuvor bei dem Kind. »Ich wollte nicht … ich meine, das alles hat sich einfach nicht so entwickelt, wie ich es geplant hatte. Das Kind ist verletzt worden – du bist verletzt worden. Das war nicht das, was ich im Sinn gehabt habe.«
Das Kind ist verletzt worden?, dachte Jez. Erzähl mir nicht, dass dich das interessiert.
Aber Morgead hatte keinen Grund zu lügen. Und er wirkte tatsächlich unglücklich - wahrscheinlich unglücklicher, als Jez ihn je gesehen hatte. Seine Pupillen waren riesig, als hätte er Angst.
»Ich bin nicht verletzt«, erklärte Jez. Es war das Einzige, was ihr einfiel. Plötzlich wurde ihr schwindelig - sie fühlte sich unsicher und ein wenig benommen, als befände sich sie noch immer im freien Fall vom Dach.
»Doch, das bist du.« Er sagte es mit seiner typischen Halsstarrigkeit, als sei dies eine ihrer Streitereien. Aber er streckte die Hand aus, um sie an der Wange zu berühren.
An der Wange, die von den Müllfunken getroffen worden war. Es tat weh, doch Morgead berührte sie so sanft ... Kühle floss aus seinen Fingern, drang in die Brandwunde ein und linderte den Schmerz.
Jez keuchte auf. »Morgead - was machst du da?«
»Ich gebe dir ein wenig Macht. Deine Reserven sind erschöpft, und du brauchst sie.«
Er gab ihr Macht? So etwas hatte sie noch nie gehört. Aber er tat es. Sie konnte spüren, dass ihre Haut sich schneller heilte, während seine Stärke in sie hineinfloss.
Es war ein seltsames Gefühl. Sie schauderte innerlich.
»Morgead ...«
Sein Blick war auf ihr Gesicht geheftet. Und plötzlich waren seine Augen alles, was Jez sehen konnte; der Rest der Welt war verschwommen. Alles, was sie hören konnte, war das leise Stocken in seinem Atem; alles, was sie fühlen konnte, war die Sanftheit seiner Berührung.
»Jez...«
Sie beugten sich zueinander hin, sie fielen aufeinander zu. Es war dieses silberne Band zwischen
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