Herr der Diebe
Isola Segreta gefahren ist.« Ertappt sah Prosper sie an. »Ich darf nichts darüber erzählen«, sagte er. »Es ist das Geheimnis von einem anderen. Und…«
»… die Isola Segreta soll ihr Geheimnis behalten«, beendete Ida seinen Satz. Sie setzte sich auf die Sessellehne. »Auf jeden Fall ist mein Flügel wohl wieder an seinem angestammten Platz«, sagte sie. »Bo wird froh sein, dass du nicht auf dem gefahren bist, worüber wir nicht sprechen dürfen.«
»Ja. Das glaub ich auch.« Prosper richtete sich auf. »Was hat er denn bei Esther angestellt?«
»Deine Tante ist aus dem Hotel geworfen worden«, antwortete Ida. »Und ich erinnere mich auch an irgendetwas mit Nudeln und Tomatensoße.« Prosper musste lächeln.
»Es war genauso schön, wie du erzählt hast«, sagte er plötzlich. »Aber es ist zerbrochen, durch Barbarossas Schuld, und ich glaub, jetzt wird es nie, nie wieder fahren.«
Ida schwieg. Nachdenklich beugte sie sich über den schlafenden Bo und strich ihm eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. »Du solltest jetzt deinen kleinen Bruder wecken«, sagte sie. »Und dann sehe ich mir deinen Arm an.«
»Ach, der Arm ist nicht so schlimm«, antwortete Prosper. »Aber kennst du vielleicht einen Tierarzt, der sich trauen würde, zur Isola Segreta zu fahren und da mal nach zwei Hunden zu sehen?«
»Bestimmt«, antwortete Ida. Dann ging sie zurück in die Küche. Und Prosper weckte Bo.
Zehn Teller stellte Wespe an diesem Abend auf Idas Esszimmertisch. Als Ida Lucia erklärt hatte, dass der kleine Rotschopf und der fremde junge Mann auch noch zum Essen bleiben würden, hatte sie nur düster den Kopf geschüttelt und gemurmelt, dass so viele Mäuler der Signora die Haare vom Kopf fressen würden. Aber dann war sie in der Küche verschwunden und hatte Unmengen von Nudeln gekocht. Als sie die dampfenden Schüsseln hereinbrachte, saßen fast alle am Tisch. Nur Ida und Barbarossa fehlten noch. Prosper sah, dass Mosca, Riccio und Wespe immer wieder verstohlen zu Scipio hinüberblickten, der sich mit seinen langen Beinen ans Ende des Tisches gesetzt hatte. Sie suchten wohl nach etwas Vertrautem, doch viel gab es da nicht zu entdecken. Ab und zu strich Scipio sich mit der flachen Hand übers Haar, so wie er es früher oft getan hatte, und auch die Augenbrauen hob er noch auf dieselbe Weise, aber sonst war er selbst Prosper fremd. Er schien das auch zu spüren. Obwohl er lächelte, wenn er die unsicheren Blicke seiner Freunde bemerkte. »Nun, Signor Massimo, wann willst du dich bei deinen Eltern melden?«, fragte Victor, nachdem Lucia sich mit einem tiefen Seufzer auch an den Tisch gesetzt hatte. »Heute noch?«
»Wieso sollte ich?«, antwortete Scipio und strich über die Zinken seiner Gabel. »Sie werden mich kaum vermissen. Ich werde mich höchstens noch mal ins Haus schleichen, um zu sehen, wie es meiner Katze geht.«
»Aber du kannst deine Eltern doch nicht völlig im Unklaren lassen«, sagte Victor und nahm sich schon mal eine Portion Nudeln, obwohl Lucia missbilligend die Stirn runzelte. »Egal, was du von deinem Vater hältst, du kannst ihn nicht mit der ewigen Sorge leben lassen, dass sein Sohn in einen Kanal gefallen oder von Kinderschändern geraubt worden ist.«
Scipio fuhr mit der Gabel über die Tischdecke und antwortete nicht.
»Wenn er aber doch nicht will, Victor!«, sagte Bo. »Und außerdem ist er jetzt erwachsen.« Scipio lächelte ihm zu.
»Erwachsen. Na und?« Victor wollte gerade verkünden, was er von Scipios Erwachsensein hielt, als die Tür aufging und Ida hereinkam. An der Hand hielt sie Barbarossa, der mürrisch zur Decke hinaufsah, als alle sich zu ihm umdrehten. »Euer Freund hier darf sich ab sofort nicht mehr ohne Begleitung in meinem Haus bewegen«, sagte Ida ärgerlich. »Er schnüffelt in meinem Labor herum, durchwühlt meine Schubladen und isst meine Pralinen!«
Barbarossa wurde rot wie eine Kirschtomate. »Ich war hungrig!«, fuhr er Ida an. »Ich werde Ihnen bessere kaufen, sobald ich wieder über Geld verfüge. Wie oft muss ich noch erklären, dass mein Portemonnaie auf dieser gottverfluchten Insel liegt? Sobald morgen die Banken öffnen, werde ich Geld abheben, Ihnen die Pralinen erstatten und mich anständig einkleiden. Es ist eine Schande für einen Mann wie mich, in diesen…«, er zupfte mit gerümpfter Nase an dem Pullover, den Bo ihm geliehen hatte, »… albernen Kleidungsstücken herumzulaufen.«
»Na, wunderbar.« Ida schubste ihn unsanft auf den einzigen noch leeren
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