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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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Der Kaffee zischte in der kleinen Kanne, als sie sie auf den Tisch stellte. »Das ist der Flügel eines Löwen.«
»Eines Löwen?« Ungläubig sah Riccio sie an. Ida Spavento nickte. »Allerdings.« Mit gerunzelter Stirn griff sie in ihre Manteltasche. »Wo sind denn jetzt meine Zigaretten?«
»Riccio!« Mosca stieß Riccio den Ellbogen in die Seite, und Riccio zog mit zerknirschter Miene die Schachtel unter der Jacke hervor. Wespe wurde rot bis an den Scheitel.
»’tschuldigung«, murmelte Riccio. »War nur ein Reflex, kommt nicht wieder vor.«
»Na, das will ich hoffen.« Ida Spavento schob die Schachtel in ihre Tasche. Dann holte sie Zucker und eine Tasse für sich, Gläser und Saft für die Kinder. Für Scipio war auch eins dabei, aber er blieb in der Tür stehen. Nur die Maske hatte er abgenommen. »Was ist das nun für eine Geschichte?«, fragte Mosca und goss sich ein Glas Saft ein.
»Geht sofort los.« Ida Spavento hängte den Mantel über die Stuhllehne, trank einen Schluck von ihrem Kaffee und nahm sich eine Zigarette.
»Krieg ich auch eine?«, fragte Riccio.
Ida sah ihn erstaunt an. »Natürlich nicht. Das ist eine ungesunde Angewohnheit.«
»Na, und Sie?«
Ida seufzte. »Ich versuche es mir abzugewöhnen. Kommen wir zu der Geschichte.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Habt ihr schon einmal die Geschichte vom Karussell der Barmherzigen Schwestern gehört?« Die Kinder schüttelten den Kopf. »Das Waisenhaus für Mädchen im Süden der Stadt«, sagte Riccio, »das gehört auch irgendwelchen Barmherzigen Schwestern.«
»Genau.« Ida rührte sich noch etwas Zucker in ihren Kaffee. »Vor mehr als einhundertfünfzig Jahren, so erzählt man sich, machte ein reicher Kaufmann diesem Waisenhaus ein sehr wertvolles Geschenk. Er ließ auf dem Hof ein Karussell aufbauen, mit fünf wunderschönen Holzfiguren, deren Bild man noch heute über dem Portal des Waisenhauses sieht. Unter einem bunten Baldachin aus Holz drehten sich ein Einhorn, ein Seepferd, ein Wassermann, eine Meerjungfrau und ein geflügelter Löwe. Böse Zungen behaupteten damals, dass der reiche Mann sein schlechtes Gewissen mit diesem Geschenk beruhigen wollte, weil er einst selbst das unerwünschte Kind seiner Tochter vor dem Waisenhaus ausgesetzt hatte, doch andere bestritten das und sagten, er sei ein warmherziger Mann gewesen und habe so seinen Reichtum mit den armen, elternlosen Kindern teilen wollen. Wie dem auch sei, bald sprach man überall in Venedig von dem wunderbaren Karussell, was einiges zu bedeuten hat in einer Stadt, die so reich an Wundern ist wie diese. Aber es dauerte nicht lange, da verbreitete sich das Gerücht, dass durch dieses Karussell rätselhafte Dinge hinter den Waisenhausmauern geschähen.«
»Rätselhafte Dinge?« Riccio blickte Ida Spavento mit großen Augen an. So sah er auch Wespe immer an, wenn sie ihnen vorlas… Ida nickte. »Ja. Rätselhafte Dinge. Man erzählte sich überall in der Stadt, dass ein paar Runden auf dem Karussell der Barmherzigen Schwestern aus Kindern Erwachsene machten und aus Erwachsenen wieder Kinder.«
Ein paar Augenblicke blieb es ganz still. Dann lachte Mosca ungläubig auf. »Wie soll denn das vor sich gehen?« Ida zuckte die Achseln. »Davon weiß ich nichts. Ich erzähle nur, was ich gehört habe.«
Scipio löste sich von dem Türrahmen, an dem er gelehnt hatte, und setzte sich auf die Tischkante neben Prosper und Bo. »Was hat der Flügel mit dem Karussell zu tun?«, fragte er. »Dazu komm ich jetzt«, sagte Ida und goss Bo noch etwas Saft ein. »Die Schwestern und die Waisenkinder hatten nicht lange Freude an ihrem Geschenk. Das Karussell wurde geraubt. Schon nach wenigen Wochen. Eines Tages machten die Schwestern mit den Kindern einen Ausflug nach Burano und als sie zurückkehrten, war das Tor aufgebrochen, der Hof leer und das Karussell verschwunden. Es ist nie wieder aufgetaucht. Aber die Diebe hatten in ihrer Eile etwas verloren…«
»Den Flügel des Löwen«, flüsterte Bo.
»Genau.« Ida Spavento nickte. »Er blieb unbeachtet auf dem Hof des Waisenhauses zurück, wo ihn irgendwann eine Schwester fand. Keiner glaubte ihr so recht, als sie behauptete, es sei ein Teil des wundersamen Karussells. Aber sie bewahrte ihn auf und nach ihrem Tod landete er auf dem Dachboden des Waisenhauses, wo ich ihn entdeckte. Viele, viele Jahre später.«
»Was wollten Sie da oben?«, fragte Mosca.
Ida drückte ihre Zigarette aus. »Ich habe oft oben bei den Taubenschlägen gespielt«, sagte

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