Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
Erschrocken wichen die Jungen bis an die unterste Treppenstufe zurück.
»Ihr sprecht heute Nacht mit niemandem mehr«, sagte das Mädchen mit scharfer Stimme. »Höchstens mit den Ratten im Stall. Der Conte schläft, er wird morgen früh entscheiden, was wir mit euch machen. Und darüber solltet ihr froh sein, denn so landet ihr nicht gleich jetzt in der Lagune.«
Scipio biss sich auf die Lippen vor Wut, aber die Hunde begannen wieder zu knurren und Prosper zog ihn schnell mit sich. »Mach, was sie sagt, Scip!«, flüsterte er, während sie auf den Stall zugingen, der genauso verwahrlost aussah wie das Haupthaus. »Wir haben noch die ganze Nacht Zeit, uns zu überlegen, wie wir hier rauskommen, aber das können wir nicht, wenn du Hundefutter bist. Und Karussell fahren kannst du dann auch nicht mehr.«
»Ja, ja, schon gut.« Scipio warf dem Mädchen einen finsteren Blick zu.
»Da rein, die Herren!«, sagte sie und öffnete die Stalltür. Stockfinster war es dahinter, und der Gestank, der ihnen entgegenschlug, war so beißend, dass Scipio angewidert das Gesicht verzog.
»Da rein?«, rief er. »Willst du uns umbringen?« »Soll ich euch die Hunde als Gesellschaft dalassen?«, fragte das Mädchen und schob den Doggen die Hände zwischen die Zähne. »Nun komm schon, Scip«, sagte Prosper und zog Scipio in den dunklen Stall. Ein paar Ratten huschten davon, als das Mädchen mit der Taschenlampe hinter ihnen herleuchtete. »Irgendwo dahinten müssten noch alte Säcke liegen«, sagte sie. »Für eine Nacht dürften die als Betten genügen. Die Ratten sind nicht besonders hungrig, es gibt hier genug für sie zu fressen, also werden sie euch heute Nacht wohl nicht stören. Macht euch nicht die Mühe, nach einem Fluchtweg zu suchen. Es gibt keinen, außerdem werde ich die Hunde vor dem Stall lassen. Buona notte! «
Dann schloss sie die Tür. Prosper hörte, wie sie den Riegel vorschob. In dem Stall war es so dunkel, dass er seine eigenen Hände nicht sehen konnte. Nur durch einen Spalt in der Tür sickerte das Mondlicht.
»Prop!«, flüsterte Scipio neben ihm. »Hast du Angst vor Ratten? Ich hab eine Scheißangst vor ihnen.«
»Ich hab mich an sie gewöhnt, im Kino waren ständig welche«, flüsterte Prosper und lauschte in die Dunkelheit. Er hörte, wie das Mädchen draußen mit den Hunden sprach, leise, mit fast zärtlicher Stimme. »Sehr tröstlich«, murmelte Scipio. Und zuckte so heftig zusammen, als etwas hinter ihm raschelte, dass er Prosper fast umstieß. Sie hörten, wie sich die Schritte des Mädchens entfernten und die Hunde es sich schnaufend vor dem Stall bequem machten. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, suchten sie nach den Säcken, von denen das Mädchen gesprochen hatte. Aber als Scipio eine Ratte über den Fuß huschte, beschlossen sie, doch lieber nicht auf dem Boden zu schlafen. Sie fanden zwei Holzfässer, auf die sie sich setzten, die Rücken gegen die kalte Mauer gelehnt.
»Er muss uns einfach darauf fahren lassen!«, sagte Scipio irgendwann in die Stille hinein. »Schon, weil er uns so reingelegt hat.«
»Hm«, brummte Prosper.
Er versuchte sich nicht auszumalen, was der Conte sonst noch alles mit ihnen machen könnte. Und dann musste er plötzlich wieder an Bo denken. Zum ersten Mal, seit er in Scipios Boot gesprungen war. Und er fragte sich, ob er seinen kleinen Bruder jemals wieder sehen würde. Es wurde eine endlos lange Nacht, und die Gedanken von Prosper und Scipio waren bald schwärzer als die Dunkelheit in dem stinkenden Stall.

Es war schon nach Mitternacht, als Victor das Telefon schrillen hörte. Er zog sich das Kissen über den Kopf, aber es klingelte und klingelte, bis Victor fluchend aus seinem warmen Bett kroch und ins Büro tappte. Dort stolperte er im Dunkeln über die Schildkrötenkiste. »Wer, zum Teufel, ist da?«, knurrte er in den Hörer, während er sich den schmerzenden Zeh rieb.
»Er ist schon wieder weggelaufen!« Esther Hartliebs Stimme klang so atemlos, dass Victor sie im ersten Moment kaum verstand. »Aber das eine sage ich Ihnen, diesmal nehmen wir ihn nicht zurück! Nein. Die Tischdecke hat der kleine Teufel heruntergerissen, im feinsten Restaurant der Stadt, und während wir dasaßen, mit den Nudeln auf dem Schoß, ist er davongerannt!« Victor hörte sie schluchzen. »Mein Mann hat immer gesagt, dass der Junge nicht zu uns passt, dass er wie meine Schwester ist, aber er sah doch aus wie ein Engel! Man hat uns aus dem Hotel geworfen, weil er so

Weitere Kostenlose Bücher