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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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hörte die Hunde anschlagen. »Was nun?«, flüsterte er Scipio zu. »Wie willst du an den Doggen vorbeikommen?«
»Meinst du, ich bin so verrückt, über das Tor zu klettern?«, antwortete Scipio leise. »Wir versuchen es auf der Rückseite.« Prosper hielt das für keinen sonderlich klugen Plan, aber er sagte nichts. Wenn sie auf die Insel wollten, blieb ihnen wohl nichts anderes übrig.
Das Hundegebell verstummte erst, als sie das Licht der Laternen längst hinter sich gelassen hatten. Scipio steuerte das Boot dicht am Ufer entlang, auf der Suche nach irgendeinem Schlupfloch in der Mauer. An einigen Stellen ragte sie direkt aus dem Wasser, an anderen erhob sie sich aus Schilf und Schlick, aber sie schien die ganze Insel zu umgeben. Schließlich ging Scipio die Geduld aus. »Schluss, wir klettern rüber!«, flüsterte er, stellte den Motor aus und warf einen Anker ins Wasser. »Und wie kommen wir ans Ufer?« Prosper starrte beunruhigt in die Dunkelheit. Etliche Meter Wasser lagen noch zwischen dem Boot und der Insel. »Willst du etwa schwimmen?«
»Unsinn. Hilf mir mal.« Scipio zerrte aus einer Klappe unter dem Steuer zwei Paddel und ein Schlauchboot. Prosper staunte, wie schwer ein bisschen Gummi und Luft sein konnten, als er Scipio half, es über die Reling zu hieven.
Der Atem hing ihnen weiß vor den Mündern, als sie zur Insel paddelten. Sie versteckten das Schlauchboot in dem Schilf, das am Fuß der Mauer wuchs. Aus der Nähe betrachtet sah sie noch höher aus. Prosper legte den Kopf in den Nacken, blickte an ihr hinauf und fragte sich, ob die Doggen wirklich nur das Tor bewachten. Als die Jungen nebeneinander oben auf dem schartigen Sims hockten, ging ihr Atem schwer und ihre Hände waren wund geschürft. Aber sie hatten es geschafft. Vor ihnen lag ein Garten, ein riesiger verwilderter Garten. Sträucher, Hecken, Wege, alles war weiß vom Raureif.
»Siehst du es irgendwo?«, fragte Scipio.
Prosper schüttelte den Kopf. Nein, er sah kein Karussell, nur ein großes Haus. Dunkel ragte es aus den Bäumen. Die Mauer hinunterzuklettern war fast noch schwerer als hinaufzukommen. Die Jungen landeten in dichtem Dornengestrüpp, und als sie sich endlich daraus befreit hatten, standen sie unschlüssig da und wussten nicht, in welche Richtung sie sich zuerst wenden sollten.
»Das Karussell muss hinter dem Haus stehen«, flüsterte Scipio, »sonst hätten wir es von oben gesehen.«
»Stimmt«, murmelte Prosper und sah sich um. Zwischen den kahlen Büschen knackte es, und etwas Kleines, Dunkles huschte über den Weg. Prosper entdeckte Spuren in dem dünnen Schnee, Vogelspuren und die Abdrücke von Pfoten. Ziemlich großen Pfoten. »Komm, wir versuchen es mit dem Weg da!«, flüsterte Scipio und ging voran.
Moosbewachsene Steinfiguren standen zwischen den Büschen, manche waren fast unter den wuchernden Zweigen verschwunden und streckten nur noch die Arme oder den Kopf heraus. Einmal glaubte Prosper, Schritte hinter sich zu hören, aber als er herumfuhr, flatterte nur ein Vogel aus einer verwilderten Hecke. Es dauerte nicht lange, bis sie sich verirrt hatten. Bald waren sie nicht einmal mehr sicher, in welcher Richtung das Boot lag oder das Haus, das sie von der Mauer aus gesehen hatten. »Verdammt! Willst du mal vorgehen, Prop?«, fragte Scipio, als sie an einer Wegkreuzung ihre eigenen Spuren im Schnee entdeckten. Aber Prosper antwortete nicht.
Er hatte wieder etwas gehört. Doch diesmal war es kein Vogel, den sie aufgeschreckt hatten. Es klang wie ein Hecheln, kurz und scharf, und dann kam ein Knurren aus der Dunkelheit, leise, tief und so bedrohlich, dass Prosper das Atmen vergaß. Langsam drehte er sich um, und da standen sie, kaum drei Schritte entfernt, als wären sie aus dem Schnee gewachsen. Zwei riesige weiße Doggen. Er hörte Scipio neben sich schneller atmen.
»Rühr dich nicht, Scip!«, flüsterte er. »Wenn wir weglaufen, jagen sie uns.«
»Beißen sie auch, wenn man zittert?«, flüsterte Scipio zurück. Die Hunde knurrten immer noch. Mit gesenkten Köpfen kamen sie näher, das kurze, bleiche Nackenhaar gesträubt, die Zähne gebleckt. Gleich werden meine Beine loslaufen, dachte Prosper. Sie werden einfach loslaufen, ohne dass ich irgendetwas dagegen tun kann. Verzweifelt kniff er die Augen zu. »Bimba! Bella! Basta! «, rief eine Stimme hinter ihnen. Die Hunde hörten abrupt auf zu knurren und sprangen an Prosper und Scipio vorbei. Verwirrt drehten die Jungen sich um und blinzelten in das Licht einer

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