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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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fliehen, denn es war hoffnungslos, diese Schlacht zu gewinnen, und unser Ziel war das bloße Überleben. Dies schien die beste einer Menge unbefriedigender Strategien zu sein, und wir schickten uns an, sie in die Tat umzusetzen, wobei einige von uns rückwärts krochen, während andere die Dornenbarriere vor uns bewachten.
    Doch als wir unseren Rückzug aufnahmen, gelang es drei Mohren, eine breite Lücke in den Dornenpflanzen aufzureißen, und eine Horde von ihnen stürmte hindurch. Wir schlugen den ersten nieder, doch es folgten weitere, und wir waren nicht genug Mann, um uns mit allen von ihnen abzugeben. Zu meinem Kummer sah ich, wie Barbosa mit zweien gleichzeitig kämpfte, und er war kein junger Soldat, sondern nur ein alter Mann von sanftem Benehmen, der solche Taten nicht gewöhnt war. Ich lief zu ihm.
    »Nein!« rief er. »Flieh! Flieh! Ich werde sie aufhalten!«
    Dies konnte ich nicht begünstigen. So fiel ich über seine Gegner her, nun drei an der Zahl, ergriff einen großen Mohren, dessen Wangen Scharlach- und purpurrot angemalt waren, an den Haaren, zog sein Gesicht über eine Dornenreihe, was ihm einen teuflischen Schrei abzwang, und stieß ihn taumelnd und geblendet zurück.
    Einen zweiten Gegner spießte ich mit der Spitze meiner Lanze auf. Barbosa hatte mittlerweile seinen Dolch gezogen und hielt den letzten seiner Angreifer in Schach, wobei er die Luft vor ihm durchpflügte und verhinderte, daß er näher kam. Diesem schlug ich mit der Faust in den Rücken und mit der Fläche meiner anderen Hand gegen die Schläfe. Er stürzte wie ein Ochse, dem man eins mit einer Keule übergezogen hatte.
    Einen Augenblick lang herrschte dort, wo wir standen, Ruhe. Mein Freund drehte sich mit warmer Dankbarkeit in den Augen zu mir um und wollte mir danken. Doch solch eine Ruhe auf dem Schlachtfeld ist sowohl trügerisch wie auch gefährlich, denn oft fuhrt sie zu noch schlimmeren Geschehnissen. Plötzlich brach ein Pfeilhagel über unsere Lichtung hinweg. Einer von ihnen durchbohrte mich, traf mich hoch oben im Rücken, genau dort, wo mein linker Arm aus der Schulter wächst. Er drang durch das Fleisch, ohne lebenswichtige Teile zu treffen. Doch andere Dinge lenkten mich so sehr ab, daß ich nicht das Feuer verspürte, das er verursachte; denn im gleichen Augenblick traf ein anderer Pfeil Barbosa in die Kehle. Er sagte etwas, das nur halbwegs ein Laut war, ganz Gurgeln und Sprudeln, und seine Augen wurden sehr hell und verloren dann ihren Glanz. Ich fing ihn auf, als er stürzte, doch man konnte ihn nicht mehr retten.
    Dabei nahm ich zum ersten Mal den Schmerz wahr, den meine eigene Wunde mir verursachte. Sie brannte, als hätten tausend Bienen alle in die gleiche Stelle gestochen. Der Pfeilschaft war lang, aber dünn und ragte aus mir heraus. Doch einer der Portugiesen kam herbeigelaufen, schnitt das gefiederte Ende ab und trieb den Hauptteil des Schaftes schnell durch die Wunde, was mir den Atem raubte, mich jedoch von dem Pfeil befreite.
    »Komm«, sagte er. »Es ist noch Zeit zur Flucht.«
    Ich sah mich um. Barbosa konnte ich nicht mehr helfen. Die Bogenschützen zielten im Augenblick woandershin, denn weitere Gruppen von Portugiesen zeigten sich auf der anderen Seite des Hügels. Die meisten unserer Leute hatten mit ihrer Flucht in die Sicherheit begonnen, und nun würde ich es ihnen gleichtun. Ich wandte mich von diesem Schreckensort ab und lief, stolperte und fiel, erhob mich wieder, stolperte, rollte einmal durch den warmen Sand, stand auf, stolperte weiter. Ich glaubte nicht, daß ich noch zehn Minuten lang leben würde; und dabei war ich so müde und betrübt, daß ich meinen Tod beinahe willkommen hieß.
11
    Ich erreichte den anderen Hügel; ich ließ mich zu Boden fallen und wand mich erneut durch eine teuflische Hecke dieser blattlosen Dornenpflanzen; ich erreichte die andere Seite, wo alles ruhig war, und blickte mich um und sah, wie in der Ferne die Schlacht wütete. Sie entfernte sich langsam von mir und war nun nur noch ein Gemenge ferner Schreie und Glocken und Trommeln, ein Ereignis, das ich wie durch einen Nebel schaute. Ich kauerte mich dort zusammen und fing plötzlich an, heftig zu weinen – nicht vor Kummer, schätze ich, und auch nicht vor Furcht, sondern nur vor einer vollständigen, schwarzen Müdigkeit meines Körpers und Geistes, die ich in jedem Knochen, in jeder Faser verspürte. Doch die Tränen heilten mich ein wenig davon.
    Nachdem dieser Anfall vorüber war – und es war nur

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