Herr der Finsternis
Worte Gutes?« platzte ich heraus. »Wir leben bislang noch, oder nicht? Wo alle unsere Gefährten tot sind. Dies ist doch etwas, das euch trösten müßte – wir leben noch!«
»Es ist kein großer Trost für mich, Engländer, wenn ich weiß, daß ich nur noch wenige Tage zu leben habe.«
»Fürchte dich nicht«, sagte ich. »Gott wird für uns sorgen.«
»Ja«, sagte der Portugiese verbittert. »Er wird uns mehr Folter bringen, und Er wird uns mehr Schmerz bringen und einen quälenden, langsamen, grausamen Tod.«
Es war sinnlos, mit ihnen zu streiten. Wir saßen da, schauten uns um und warteten schweigend darauf, daß der Tag sein Ende fand, denn in unserem geschwächten Zustand erschien es uns am besten, nur in den kühleren Nachtstunden zu marschieren.
Einer der Portugiesen, der einige Erfahrung als Sanitäter hatte, versuchte uns zu helfen, verband unsere Wunden und bot Bissen von Früchten aus einem kleinen Sack an, den er bei sich trug. Ich wunderte mich darüber – daß er sein Essen mit uns teilte und es nicht für sich allein aufbewahrte, wie ich es mir bei einem Portugiesen vorgestellt hatte; doch dies zu denken war nicht rechtens von mir, denn Portugiesen sind keine schändlichen Menschen, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht unser englisches Ehrgefühl besitzen. Die Süße der Frucht erfrischte mich, und ich erhob mich und ging herum, obwohl mein Kopf vor Müdigkeit schwamm.
Der Mittelpunkt und Tumult der Schlacht hatte sich nun völlig von uns entfernt. Ich sah in der Nähe nur die blutigen Leichen der Gefallenen und die Geier, die um sie herumschwebten und sich die saftigsten Bissen aussuchten.
Und dann sah ich eine noch üblere Sache. Fünf nackte Schwarze, die aus einer anderen Richtung kamen, dem Südwesten, in dem es den ganzen Tag über ruhig gewesen war. Sie waren sehr groß und hatten langgezogene, spitz zulaufende Glieder, und zwei waren klein und breit und von überaus mächtiger Statur, und alles, was sie trugen, waren Waffen, die sie um ihre Hüften gebunden hatten, bis auf einen, um dessen Hals ein Kragen befestigt war, und jeder hatte seinen Körper in weißer Farbe mit gewissen Symbolen und Emblemen bemalt. Sie bewegten sich in einer Reihe, sehr leise, wie die Katzen, wobei der größte vorn und der zweitgrößte am Ende der Reihe ging.
Ich hatte solche Krieger schon einmal gesehen, und es bereitete mir keine Freude, sie erneut zu sehen. Denn ich wußte, daß es Jaqqas waren, und das Herz wurde mir schwer. Gott wird für uns sorgen, hatte ich gesagt, und Gott hatte fürwahr für uns gesorgt. Doch, dachte ich, was Er uns geschickt hat, sind Dämonen, die uns zu unserer letzten Ruhe bringen werden.
Und doch, in mir hob sich eine gewisse Faszination. Wie ich zuvor gesagt habe: Ich stelle fest, daß ich von der Dunkelheit angezogen werde, von den seltsamen, obskuren, heimlichen Mysterien. Ich kenne den Grund dafür nicht. Das große Coccodrillo, das auf jener verlassenen Insel in Brasilien, auf der ich zurückgelassen worden war, aus dem Fluß gekommen war, hatte mich magisch angezogen, und auch der Jaqqa-Prinz, der auf der ersten Reise nach Masanganu allein im Wald stand, und der tote in Loango. Und nun starrte ich diese fünf Sendboten des Satans an, wie sie am Horizont entlangmarschierten, und konnte nicht die Augen von ihnen nehmen, denn sie übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf meine Seele aus.
Sie zogen durch das wilde Durcheinander des Schlachtfeldes, untersuchten die Toten, betasteten diesen und jenen, drehten ihn um, überprüften sein Fleisch, wie man in einem Fleischerladen Fleisch betasten und drücken mag, um zu sehen, wieviel Fett daran ist, und wie viele Sehnen, und wie fest das Gewebe ist. Ich, der ich schon einmal Kannibalen gesehen hatte, in den Wäldern hinter der Stadt Rio de Janeiro und nach meinem Schiffbruch, wußte, weshalb diese Männer hier waren, und dieses Wissen ließ das Blut in meinen Adern gefrieren.
Mit großer Ruhe und ohne jede Eile wählten sie aus den Hunderten und aber Hunderten auf diesem Feld des Blutes drei Leichen aus, alle davon Mohren, als wäre das Fleisch weißer Männer unwürdig für ihren Gaumen. Diese drei luden sie den drei Jaqqas in der Mitte der Reihe auf die Schultern, dem, der den Kragen trug, und den beiden, die klein und sehr muskulös waren, und gingen dann, augenscheinlich zufrieden mit ihrer Beute, von Süden nach Norden weiter.
Dann bemerkten sie uns.
Wir hatten uns die ganze Zeit über nicht bewegt und
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