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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hatten auch nicht gesprochen. Wir kauerten uns auf unseren kleinen, sandigen Hügel und beteten darum, nicht gesehen zu werden; denn obwohl wir zehn Mann waren und sie fünf, waren wir alle erschöpft und verwundet, und bis auf leere Musketen und zerbrochene Lanzen hatten wir keine Waffen, und es war keiner unter uns, der die geringste Lust hatte, an diesem Tag noch einmal zu kämpfen. So verbargen wir uns vor ihren Blicken; doch die Jaqqas blieben stehen, sogen wie mißtrauische Leoparden die Luft in die Nüstern, schritten das Gelände in Kreisen ab, legten dann wortlos ihre Beute ab und näherten sich uns.
    »Wir sind verloren«, sagte der portugiesische Medicus. »Das sind die Menschenfresser, die Jaqqas.«
    »Und warum sollten sie sich die Mühe machen, uns zu töten, wo doch genug Tote herumliegen, um ihren gesamten Stamm einen halben Monat lang zu ernähren?« fragte ich.
    »Das Fleisch auf dem Boden wird in ein paar Tagen verdorben sein«, gab der Arzt zurück. »Wir bleiben frisch, bis wir geschlachtet werden. Sie werden uns gefangennehmen und essen, wenn ihr Appetit es verlangt.«
    Doch keiner von uns machte Anstalten zur Flucht. Wir waren alle so schwach und von den Anstrengungen verausgabt, und sie wirkten auf uns so flink wie Zevveras. Und es kommt für jeden Menschen die Zeit, da sich ihm der Tod nähert und er weiß, daß es keine Flucht gibt, und so bleibt er einfach stehen und wartet ab.
    Für mich machte es in diesem Augenblick keinen Unterschied, ob ich nun ein Gefangener der Portugiesen oder einer der Jaqqas war, bis auf die Tatsache, daß die Portugiesen mir, so lange ich tat, was sie von mir verlangten, ein Haus geben würden, in dem ich wohnen konnte, und ein paar Diener, die für mich sorgten. Ich bezweifelte, daß diese Jaqqas mich so freundlich behandeln würden. Noch würden die Portugiesen mich wohl kochen und verspeisen. Ich gestehe, daß ich mir bei allen Todesarten, die ich mir in den müßigen Stunden meiner Jugend für mich vorgestellt hatte, wenn man viel an den Tod denkt und versucht, seine Natur zu begreifen, niemals hätte träumen lassen, gebraten und von meinen eigenen Mitmenschen verschlugen zu werden. Was keine sehr angenehme Vorstellung für mir war; doch welche Rolle spielt es schon, wenn man tot war, ob man nun Futter für die Würmer oder Fische oder Ameisen oder Jaqqas wurde? Man ist tot; nur darauf kommt es an, und es hatte nun den Anschein, daß ich mich sehr bald dem Ende meiner Reise nähern würde.
    Die Jaqqas kamen zu uns und stellten sich in einem Kreis um uns herum auf, wobei ihre Hände leicht auf den Griffen ihrer langen Dolche ruhten. Und ich sah, wie der mit dem Kragen jenem großen gegenüber, der ihr Anführer zu sein schien, eine Geste machte, und es war eindeutig eine bittende Geste, ohne begleitende Worte, die der Führer schnell und stumm erwiderte, indem er einmal seine linke Hand bewegte. Ich nehme an, der mit dem Kragen bat um die Erlaubnis, uns zu töten, und daß diese Erlaubnis verweigert wurde. Später fand ich heraus, daß ich recht hatte, denn unter den Jaqqas trugen die jungen Männer als Zeichen der Sklaverei einen Kragen um den Hals, bis sie den Kopf eines Feindes bringen, den sie im Kampf getötet haben, woraufhin man ihnen den Kragen abnimmt, sie befreit und mit dem Titel eines Soldaten auszeichnet. Dieser hier fragte, ob er sich seine Freiheit verdienen konnte, indem er uns erschlug. Doch wir waren eindeutig zu elendig, um erschlagen zu werden; es wäre kein anständiger Kampf, und man verweigerte ihm die Erlaubnis.
    Eine lange Weile musterten sie uns und wir sie. Sie gingen immer wieder in seltsamer Gedankenverlorenheit um uns herum und gaben dabei nicht einen Ton von sich. Ihr Schweigen war am fürchterlichsten dabei, denn es ließ sie wie Traumgeschöpfe erscheinen, wie Nachtmahr-Wesen.
    Ihre Augen waren hell wie glühende Kohlen, und ihre Körper leuchteten unter ihrer Farbe, so daß jeder Muskel wie der einer Statue hervortrat, und sie hatten nach der Art der Jaqqas zwei Zähne oben und zwei unten entfernt, was ihnen das Aussehen von bösen Kürbiskopflaternen verlieh, wenn sie grinsten. Wir blieben auch stumm, als sie uns musterten, vielleicht aus Furcht oder aus Aberglauben, denn in der Anwesenheit des Teufels spricht man nicht.
    Schließlich kamen sie zu einer Entscheidung über unser Geschick. Mit stummen Gesten bedeuteten sie uns, unsere eingedellten, blutbefleckten Rüstungen abzulegen und fallenzulassen, woraufhin wir nur noch

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