Herr der Finsternis
ein kurzer –, untersuchte ich meine Wunde und stellte fest, daß sie häßlich und offen, aber nicht sehr gefährlich war: Die Stelle, an der der Pfeil das Fleisch durchdrungen hatte, war taub, und ich wußte, daß ich später ein Schmerzen und Ziehen spüren würde, wo ich nun nichts spürte; ansonsten würde die Verletzung mich jedoch nicht behindern. Im Augenblick bereiteten mir die hundert tiefen Schnitte und Risse in meiner Haut mehr Unbehagen als diese Wunde.
Ich schaute mich um und erblickte sieben Portugiesen, die alle mehr oder weniger schwer verwundet waren und sich in der Nähe im Sand verbargen. Wir sammelten uns, ein trauriger und geschlagener Haufen. Ich kannte keinen von ihnen, denn es handelte sich bei allen um Soldaten aus São Tomé; doch zwei von ihnen erkannten mich, nachdem sie mich während meines Besuchs auf dieser Insel gesehen hatten. Einer, der eine schreckliche Kieferwunde hatte, grinste mit seinem halben Gesicht gewissermaßen und sagte: »Wir könnten jetzt dein Sklavenmädchen hier gebrauchen, Engländer, damit es dir die Wunden verbindet, was?«
Ein Achselzucken war meine einzige Antwort. Zu dieser Zeit glaubte ich nicht, meine Matamba jemals wiederzusehen, und ich war betrübt über den Tod Barbosas, der von allen Portugiesen, denen ich in diesen Jahren meiner Gefangenschaft begegnet war, mein wahrster und sanftester Freund gewesen war und dessen Leiche ich nicht einmal vor den Geiern hatte retten können, die schon den Himmel verdunkelten.
Kurz darauf stießen zwei weitere Portugiesen zu uns, Männer aus São Paulo de Luanda, die uns berichteten, daß Balthasar d’Almeida und seinem Mit-General zu Pferde die Flucht gelungen sei, fast alle anderen Portugiesen jedoch von den gnadenlosen Kriegern Kafuche Kambaras erschlagen worden seien.
»Die Toten sind die Glücklichen«, sagte einer der Männer aus São Tomé. »Ihr Tod war schnell. Unserer wird langsam und sehr durstig sein, versichere ich euch.«
Und damit begann er, eine Vielzahl von düsteren Gebeten vor sich hinzumurmeln.
»Warte«, sagte ich. »In fünf Tagen können wir in Masanganu sein, nicht wahr?«
»Kennst du den Weg?« fragte ein anderer Portugiese.
»Und woher bekommen wir zu essen oder trinken?« fragte ein anderer.
»Die Mohren werden uns niedermachen«, murmelte noch ein anderer. »Wir sind schon tote Leute, nur, daß wir uns noch bewegen und uns selbst täuschen können.«
Ich wollte irgendeine ermutigende Ansprache halten, wie ich es vor langer Zeit getan hatte, als ich in Brasilien gestrandet war und mich ebenfalls unter Männern mit melancholischer, geschlagener Seele wiedergefunden hatte. Doch ich brachte die Worte nicht über meine Lippen. Ich war in diesem Augenblick selbst zu seelenkrank, stand meiner eigenen Niedergeschlagenheit noch zu nahe. Obwohl die Schlacht nun an uns vorbeigezogen war und wir wahrscheinlich nicht mehr von unseren Feinden belästigt würden, stand uns nun eine unmögliche Aufgabe bevor: ohne Vorräte zurückzumarschieren und ohne Kenntnis des Weges durch diese schreckliche Wüste und ohne Waffen, mit denen wir Beutetiere erlegen konnten, und mit Verletzungen, die uns von der Kraft, die wir jetzt noch hatten, Tag um Tag ein wenig mehr nehmen würden. Ich beabsichtigte nicht, mich der Verzweiflung anheimzugeben, denn aufzugeben ist nicht meine Art, und die Verzweiflung ist nicht mein Lieblingsgetränk. Doch ich bin auch nicht geneigt, mich der Torheit hinzugeben, und die Hoffnung, wir würden diesen Ort lebendig verlassen können, schien wirklich töricht zu sein. Und so hatte ich wenig zu sagen, um diese Männer aufzuheitern.
Die Portugiesen fuhren mit ihren Gebeten fort. Sie drängten sich um einen Rosenkranz, den einer der Männer bei sich trug, und um das Kruzifix eines anderen. Ich nahm nicht an der Verehrung dieser Gegenstände teil.
Trotz all ihrer Hingabe hatten diese Männer jedoch nur wenig wahren Glauben. Denn einer erklärte: »Gott hat uns verlassen«, und die anderen nickten, ergriffen das Thema und schmückten es aus, wobei sie schließlich erneut erklärten, wir seien unserer Sünden wegen in dieses Tal der Schatten geführt worden. Und bei dieser Art von dunklem Gerede stieg etwas in mir empor, das ich für gänzlich englisch hielt: nämlich, nicht einfach vorzustürmen und wie ein Schwächling die Niederlage einzugestehen, wenngleich sich meine Überlegungen über die Aussichten auf unser Überleben nicht geändert hatten.
»Nay, was bringen uns solche
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