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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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worden sind. Man stellt an Traumgeschöpfe keine Fragen; und wenn man es tut, muß man wissen, daß man kein Recht hat, vernünftige Antworten zu erwarten.
    Die Portugiesen hatten recht: Die Wurzeln der Bäume wuchsen im Wasser des Kwanza. Ein weiterer Tag verstrich, und dann waren wir fürwahr in Sichtweite der Festungen von Masanganu. Hier veränderte sich die Luft, wurde feucht und fieberschwanger, wie es im schrecklichen Masanganu nun einmal der Fall ist. Die Jaqqas begleiteten uns nicht weiter. Sie hatten bei ihren nächtlichen Mahlzeiten die drei Toten restlos bis auf den letzten Fleischfetzen verzehrt, ihre geheimnisvolle, selbst auferlegte Aufgabe, unser Leben zu retten, bewältigt, und verschwanden nun so schnell, wie sie gekommen waren, ohne eine Wort, ohne ein Zeichen, und überließen es uns, die letzten wenigen Meilen unseres Weges nach Masanganu zu finden.
    Eine traurige und elende Gruppe von zehn Mann waren wir, als wir in das Presidio wankten und taumelten. Wir waren beinahe nackt, gekleidet in fadenscheinige Fetzen, und von unserer spärlichen Ernährung an bitteren Früchten und harten Körnern ganz abgemagert; aus dem gleichen Grund wölbten sich auch unsere Augen. Trotz der besten Bemühungen unseres Medicus hatten unsere Verletzungen zu eitern angefangen.
    Doch wir lebten. Wir waren weder in Kafuche Kambaras schrecklichem Hinterhalt auf dem Schlachtfeld umgekommen noch in die Mägen der Jaqqas gewandert, und daß uns diese beiden Schicksale erspart geblieben waren, kam uns so wunderbar vor, daß wir uns vor den Mauern Masanganus niederwarfen und jeder auf seine Art und in seiner Sprache dem Herrn dankte, wobei wir laut riefen, daß es sicher Seine leidenschaftliche Zuwendung für unsere Sache gewesen war, der wir unser Leben verdankten.
    Gott verschone mich, doch ich hätte niemals geglaubt, ich würde einmal vor Freude weinen, Masanganu wiederzusehen. Doch diesmal war mir der Ort so willkommen wie die Gestade des Paradieses.
12
    In Masanganu machten die Portugiesen großes Aufheben um uns, denn sie hatten nicht erwartet, daß sich noch einige Überlebende des Massakers zu ihnen durchschlagen würden.
    Die Nachricht über dieses Verderben hatte sie fünf oder sechs Tage zuvor erreicht als die ersten, denen die Flucht gelungen war, ins Presidio gekommen waren. Das waren jene, die zu Pferde entkommen waren, hauptsächlich die hohen Offiziere, die kühn in Sicherheit galoppiert waren und ihre gesamte Infanterie zurückgelassen hatten, um hinter ihnen erschlagen zu werden. Solche Männer wie Balthasar d’Almeida und sein Hauptmann Pedro Alvares Rebello hatten Masanganu schon verlassen und waren nach São Paulo de Luanda aufgebrochen, um sich mit Gouverneur d’Almeida zu beraten, doch andere Überlebende hielten sich noch in der Stadt auf, und ihr Erstaunen war groß, als sie erfuhren, daß es uns gelungen war, uns lebend vom Ort der Schlacht zu entfernen.
    Wir wurden ins Hospiz gebracht und bekamen zu essen und zu trinken und Medizin, und unsere Verletzungen wurden behandelt, und ein Offizier namens Manoel Fonseca, der den Befehl über die Garnison in Masanganu hatte, besuchte uns, um zu erfahren, wie uns die Flucht geglückt war.
    »Nun«, sagte unser portugiesischer Medicus, »wir wurden von fünf Jaqqas gerettet, die uns hierher brachten und uns unterwegs mit Nahrung versorgten.«
    Woraufhin Manoel Fonseca ein lautes Gelächter ausstieß und erwiderte: »Das Fieber hat dich um den Verstand gebracht, Mann!«
    »Nay«, sagte ich, denn ich lag im nächsten Bett, »bei Gott, es ist die Wahrheit! Sie haben kein Wort gesprochen, diese Jaqqas, sondern mit Gesten gesagt: Kommt, folgt uns; und sie blieben bei uns, bis wir die Palmen sahen, die am Flußufer wachsen.«
    »Das kann ich nicht glauben. Jaqqas? Ich frage Euch, woher wißt Ihr, daß es Jaqqas waren?«
    »Weil sie unten und oben Zähne ausgeschlagen hatten«, sagte ich und deutete auf meine Schneidezähne. »Und weil sie, während wir bei ihnen waren, drei tote Mohren, die sie auf dem Schlachtfeld aufgelesen haben, gebraten und verzehrt haben. Ist das nicht Beweis genug?«
    Fonseca konnte es jedoch noch immer nicht glauben, und erst als er die gleiche Geschichte von uns allen vernommen hatte, wollte er uns zugestehen, daß wir die Wahrheit gesprochen hatten. Was um so mehr Erstaunen verursachte, da sich niemand erinnern konnte, daß die Jaqqas jemals so etwas getan hatten, solange es Portugiesen in Angola gab. Und doch konnten sie nicht

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