Herr der Finsternis
abstreiten, daß wir sicher hier angelangt waren und uns auch keine Engel getragen hatten.
Die Wochen bis zu meiner Genesung verbrachte ich in Masanganu. Mit seinem üblen und giftigen Klima ist dies kein Ort, der einer Genesung zuträglich ist, doch ich war zu schwach, um nach São Paulo de Luanda zurückzukehren, und es fuhren sowieso keine Schiffe die Küste hinauf. Nach einiger Zeit verließ ich das Bett, ging umher und gewann etwas Kraft zurück. Zu dieser Zeit war die Stadt so eng gepackt wie eine Schildkröte in ihrer Schale, und Tag und Nacht waren die Wachen postiert, denn die Portugiesen waren sehr verängstigt und wußten nicht, welches Unheil als nächstes über sie kommen würde. Unter den Händen dieses Kafuche Kambara hatten sie die schrecklichste Niederlage in ihrer afrikanischen Geschichte erfahren, Hunderte von Männern und sehr viel Ausrüstung und beinahe ihre gesamten schwarzen Hilfstruppen verloren, und sie befürchteten, Kafuche könne nun versuchen, ihnen endgültig den Garaus zu bereiten, oder die anderen Sobas würden sich vielleicht erheben und ihr Joch abwerfen. Doch nichts davon geschah, und im Juli 1594 kam endlich ein Schiff nach Masanganu, um Verstärkung zu bringen. Als es nach São Paulo de Luanda zurückkehrte, war ich an Bord und diente auf der Reise den Fluß hinab als Lotse.
In der Hauptstadt erwarteten mich große Überraschungen.
Im Hafen dümpelte eine große, neue Galeone aus Portugal, ein Schiff von mindestens sechshundert Tonnen, und als ich die eigentliche Stadt betrat, sah ich, daß alle Gebäude wunderschön mit Bannern und Zierbändern und hellen, bunten Flaggen geschmückt waren, als hätten die Portugiesen gerade keine ungeheuerliche Niederlage erlitten, sondern einen gewaltigen Sieg zu feiern. Scharlachrote und grüne Wimpel wehten im Wind, und besonders der Palast des Gouverneurs war mit Flaggentüchern und Samt von großer Farbenpracht geschmückt.
Ich fragte die Träger, die uns zur Stadt brachten, aus welchem Grund die Stadt so prachtvoll herausgeputzt sei, und sie erwiderten: »Um den neuen Gouverneur zu feiern, den Portugal uns geschickt hat.«
»Den neuen Gouverneur? Wo ist Don Jeronymo?«
Und sie deuteten überaus ernst auf das Presidio, auf die gleiche grimmige Festung, in der ich vor vier Jahren eingekerkert gewesen war.
Also hatte es anscheinend während der vielen Monate meiner Abwesenheit große Umwälzungen und Veränderungen in der Kolonie gegeben.
Doch ich hatte nicht einmal die Hälfte davon erfahren.
Ich ging zuerst zu meiner Hütte, wo ich alles ordentlich und gut geführt vorfand. Matamba und meine anderen Sklaven waren dort. Sie stieß ein kleines Keuchen aus, als sei sie verängstigt oder schockiert, mich zu sehen, lief zu mir, wobei ihr die Tränen aus den Augen traten, fiel vor mir auf die Knie, blickte besorgt zu mir hoch und sagte: »Du bist so anders! Du hast dich so verändert!«
»Ach ja? Komm, steh auf, Mädchen.«
Ich zog sie sanft hoch, schickte die anderen Sklaven fort und umarmte sie, und sie fuhr mir mit den Fingern über die Wangen.
»Du bist krank gewesen«, sagte sie.
»Aye, und auch ein wenig mitgenommen. Doch ich bin noch immer der gleiche.«
Ich ging in meine Kammer, wo ich einen trüben alten Spiegel aufbewahrte, und musterte mein Spiegelbild. Und es verblüffte mich fürwahr, als ich sah, was aus mir geworden war, denn mein Gesicht wirkte mindestens fünf Jahre älter, mit tiefen Linien, die sich um meinen Mund und die Augen eingegraben hatten, und einem allgemeinen Schwinden des Fleisches und Hervortreten der Wangenknochen. Die Hitze des Landesinneren und alle Erschöpfungen und alle Verletzungen, die ich dort erlitten hatte, hatten mich bis auf den harten Kern abmagern lassen: Ich wirkte hager, meine Augen strahlten in einem fieberhaften Glanz, und mein Geist schien gefährdet zu sein wie der eines ungestümen Abenteurers, wie sie in den Tavernen der Stadt herumlungerten. Nun, ich schätze, wenn ich auf den Straßen Londons einen Mann getroffen hätte, der wie ich ausgesehen hätte, dann hätte mich Furcht vor ihm überkommen, so ausgezehrt und piratenhaft wirkte mein Gesicht nun.
Ich legte meine Kleidung ab, die von der Reise durchgeschwitzt war, und Matamba schrubbte mich ab. Wasser ist immer rar und höchst kostbar in São Paulo de Luanda, da es in der Stadt keine Quelle gibt, sondern es durch einen Kanal von der Insel herbeigeschafft werden muß und viel davon durch die Nähe des Ozeans verseucht wird.
Weitere Kostenlose Bücher