Herr der Finsternis
wieder einmal gute englische Redewendungen zu hören! Zu hören, wie solche Worte wie »Rechnung« und »Menge« und »Wechselkurs« über meine Lippen kamen oder auch nur so bescheidene Worte wie »aber« und »und« und »überdies« – welch eine Freude! Nun, solche Worte auszusprechen war nicht minder schön, als hätte ich einen Krug gutes kühles braunes Ale geleert!
Dieser Warwyck war ein großer Mann mit rundem Gesicht, geröteten Wangen, blauen Augen und weißen Haaren. Er trug dunkle, schmucklose holländische Kleider, grobe, wollene Stoffe in unserer tropischen Hitze, und paffte an einer langen Tonpfeife, wie die Holländer es so gern tun, und rauchte große Mengen dieses üblen Krauts, wie es in seinem, aber auch in meinem Land heutzutage der Brauch ist. Auf seinem Englisch lag eine seltsame Süße, als tränkte er seine Worte mit Honig, bevor sie seine Zunge verließen, was an seinem holländischen Akzent lag. Mir gefiel dies vorzüglich, und ich muß gestehen – so seltsam es sich auch anhören mag –, je mehr ich mit ihm sprach, desto öfter krochen ähnliche Töne in meine eigene Aussprache. Ich glaube, dies lag daran, daß ich kaum ein englisches Wort laut gesprochen hatte, seit Thomas Tomer vor Jahren verschwunden war, und ich mich von seiner Art der Aussprache bereitwillig beeinflussen ließ, da mir Englisch mittlerweile eine fast unvertraute Sprache geworden war.
Da er erst im Frühjahr ‘94 in London gewesen war, fragte ich ihn, welche Neuigkeiten es aus England gäbe. Denn England war für mich mittlerweile nur eine Art verschwommener Traum, und ich brauchte Bestätigung, daß es überhaupt noch existierte.
»Die Königin«, sagte ich, »wie ist es ihr ergangen?«
»Es heißt, sie sei stark und wohlauf und ihre Schönheit habe sich nicht verdunkelt.«
»Und mein Land – gedeiht es?«
Warwyck paffte tief an seiner Pfeife und umgab sich mit einer großen, weißen Rauchwolke, und schließlich sagte er: »In den letzten Jahren waren die Ernten schlecht. Ihre Majestät hat in den Kriegen in Frankreich und in meinem eigenen Land viel Geld ausgegeben. Ich glaube, in den Azoren sind einige spanische Schatzschiffe aufgebracht worden, was den königlichen Schätzen sehr gut getan hat…«
»Ah«, sagte ich, »dann beansprucht die Königin nun einen Anteil an solchen Unternehmungen?«
»In der Tat. Sie arbeiten nun zusammen, die Königin und ihre tapferen Kapitäne, und teilen sich die Beute. Was sie abstreiten würde, sollte man sie danach fragen, doch wir wissen, daß es stimmt. Doch ich glaube, daß England trotz solcher Beutezüge ärmer wird. Man kann nicht vom Piratentum leben, mein Freund. Handel, ja, Kolonien, ja – die Engländer sollten fremde Länder besiedeln und sich einverleiben, wie diese Portugiesen es getan haben und die Spanier, und wie wir es beabsichtigen.«
»Die Holländer werden auch Kolonien gründen? Wo, frage ich Euch?«
»Dort, wo es keine Portugiesen gibt: auf den Westindischen Inseln, den Gewürzinseln und anderen solchen Orten. Wir segeln; wir lernen; wir werden es wohl gut anstellen, glaube ich. Besser als die Spanier und Portugiesen, denn sie sind nur seichte Siedler, während wir uns tief in diese Länder eingraben und Gewürznelken und Pfeffer und Muskat und andere nützliche Dinge aus ihnen importieren, anstatt den Eingeborenen lediglich ihr Gold zu stehlen und ihnen Krankheiten zu geben. Und wir werden es auch besser als ihr Engländer anstellen, denn ihr scheint nur am Piratentum interessiert zu sein, und das birgt auf lange Sicht keinen Profit, wie verlockend die Aussichten auch sein mögen, dieses oder jenes Schiff aufzubringen. Nun, mein Freund, versteht Ihr, was ich meine?«
Allerdings verstand ich es; denn ich wußte aus eigener Erfahrung, was die Portugiesen trieben, nämlich eher den Handel mit Sklaven als mit Waren, und ich kannte auch unsere eigenen seefahrerischen Unternehmungen von innen heraus, und mir waren auch die kurzsichtigen Grausamkeiten der schwarzherzigen Spanier bekannt. Und ich wußte, daß diese Holländer, hielten sie sich nur getreulich an ihre selbstgestellte Aufgabe, eine gewaltige Maschinerie der immerwährenden Geldversorgung errichten würden, denn sie waren ein kluges Volk, das fürwahr begriffen hatte, wo der wahre Goldschatz lag. Und ich schwor mir, sollte ich jemals nach England zurückkehren, so würde ich das Evangelium des Kolonisierens und des Handelns predigen und meine Landsmänner drängen, das Piratentum und
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