Herr der Finsternis
Baum wie das Ebenbild seines Bruders aussieht und einen in die Irre fuhrt, was viel schlimmer ist, als hätte man gar keine Anhaltspunkte.
Unser zweiter Tag war sehr schlimm, denn als wir auf eine große Ebene vordrangen, wurde das Land viel trockener, und es gab nirgendwo Wasser. Es schien sicher, daß es in einem so feuchten und üppigen Land genügend Quellen und Bäche für uns geben mußte, doch wir fanden keinen Tropfen, und die Hitze der Sonne quälte uns grausam, zog die Feuchtigkeit aus unseren Körpern und machte uns ganz schwindlig.
Gonçalo Fernandes – das war ein Portugiese, der vor einiger Zeit an der anderen Küste Afrikas Schiffbruch erlitten hatte – erzählte uns: »Ich war auf einer Wüsteninsel gestrandet, und auf dieser ganzen Insel konnten wir keinen einzigen Tropfen Süßwasser finden, wenn wir nicht unseren eigenen Urin trinken wollten.«
»Und du schlägst uns dies nun vor?« fragte mein Zigeuner freund Cristovão und machte ein verdrossenes Gesicht wie über eine alte Pflaume, die man ein Dutzend Jahre hatte in der Sonne liegen lassen.
»Du wirst nicht sehen, wie ich hier verdurste«, erwiderte Gonçalo Fernandes. »Einmal bewahrten wir den Urin in den Scherben gewisser Gefäße auf, die wir an Bord unserer Pinasse gehabt hatten, und ließen ihn die gesamte Nacht über darin abkühlen, um ihn am nächsten Morgen zu trinken. Und ich schwöre euch bei der Gottesmutter, daß dies uns am Leben erhielt. Der Urin, den wir ausschieden, wurde überaus rot, wohl, weil wir die gleiche Flüssigkeit immer wieder tranken und ausschieden. Doch wir sind nicht gestorben. Und ich sage euch noch etwas: Nachdem wir einen Weg gefunden hatten, auf das Festland überzusetzen, stießen wir auf einen kleinen Fluß mit sehr süßem und angenehmem Wasser, und mein Gefährte Antonio, den vorher äußerster Durst geplagt hatte, trank zuviel und starb in meinem Beisein innerhalb einer halben Stunde. Also dürfen wir nicht vergessen, mit Wasser sehr sparsam umzugehen, wenn es uns wieder zur Verfügung steht.«
Nun, an diesem Tag tranken wir keinen Urin, doch wir litten gewaltig unter dem Durst. Wenn wir irgendwelche Behälter dabeigehabt hätten, um die Substanz darin aufzubewahren, so hätten wir, glaube ich, unsere Befangenheit in dieser Hinsicht überwunden. Doch wir hatten keine Gefäße dabei. So marschierten wir weiter, in der Hoffnung, Ollicondi-Bäume zu finden und die Feuchtigkeit aus ihnen herauszusaugen, doch solche Bäume wuchsen nicht auf dieser Ebene.
Nach einem Tag dieser Reise war uns schwindlig, und wir litten sehr, alle bis auf ein oder zwei Zigeuner, die von solcher Körperkraft zu sein schienen, daß sie weder essen noch trinken mußten. In dieser Nacht konnten wir nicht weitergehen, und wir waren schließlich darauf angewiesen, Wurzeln von kleinen Bäumen auszugraben und zu säubern, damit wir sie aussaugen konnten, um zu überleben, wie ich es damals bei meinem Schiffbruch getan hatte.
Am dritten Tag stießen wir auf eine dieser großen Schlangen, die in dieser Gegend vorkommen; diese hier war so lang wie fünf Männer von Kopf bis Fuß und so dick wie der Schenkel eines sehr stämmigen Mannes. Das Ungetüm schlief, und ich glaube, daß es kürzlich erst gefressen hatte, denn seine Körpermitte war so weit aufgebläht, daß ein Schwein oder eine Ziege darin Platz gefunden hätte. Wir beratschlagten, ob wir sie wegen ihres Fleisches töten sollten, doch die Portugiesen unter uns verabscheuten es, Schlangenfleisch zu essen, und einer der Zigeuner schwor, daß das Tier einen feurigen Atem ausstoßen und uns vernichten würde, sollten wir es erzürnen; und er vertrat diese Befürchtung so leidenschaftlich, daß wir schließlich, so hungrig wir auch waren, die Schlange unbehelligt ließen, einen großen Bogen um sie schlugen und unseren Weg fortsetzten. Was zu einem weiteren Disput führte: Einige sagten, sie würden lieber Schlangenfleisch essen als verhungern, wohingegen andere das Verhungern vorzogen; und wir verschwendeten viel Kraft mit einem lautstarken Streit darüber.
Doch später an diesem Tag begegneten wir einem alten Neger, der zu der Stadt reiste, die Mani Kabech zu seiner Hauptstadt auserkoren hatte. Es überraschte uns sehr, an diesem verlorenen Ort irgendeinen Menschen zu sehen. Dieser Mann war runzlig und uralt, aber stark, und als er uns sah, fing er sofort an zu laufen. Zwei von unseren Zigeunern, die noch am flinksten auf den Füßen waren, setzten ihm nach und warfen ihn
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