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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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marschierten. Dabei griff das Feuer jedoch auf das Dachstroh des Hauses über, und da wir fürchteten, das Feuer könne vom Wind aufgepeitscht werden, zogen wir uns in eine sichere Entfernung zurück. Und die Ameisen drangen auch in eine benachbarte Hütte ein, wo die Schwarzen sie erneut ausräucherten; doch da die Hütte völlig aus Stroh bestand, wurde sie genauso wie die Ameisen vernichtet, woraufhin die Schwarzen aus ihren Häusern flohen, weil sie befürchteten, der Wind könne die Flammen weitertragen, und das gesamte Dorf würde abbrennen.
    Dies alles klingt vielleicht ganz amüsant, wenn man es lange im nachhinein erzählt, doch ich versichere Euch, daß wir diese Komödie mit Ratten, Affen, Ameisen und Feuer keineswegs als erheiternd empfanden, sondern als sehr ernst. Wegen all dieser Vorgänge bekamen wir in dieser Nacht nur wenig Schlaf, und vor Anbruch der Dämmerung brachen wir noch erschöpfter, als wir eingetroffen waren, wieder auf und verbargen uns am Ufer des Sees Kasanza.
    Hier fanden wir endlich etwas Ruhe, und wir konnten uns die Mägen mit Fischen und Vögeln vollschlagen. Und am nächsten Tag brachen wir bei Dämmerung gen Norden auf, bis wir den Fluß erreichten. Den Mbengu zu überqueren bedeutete große Gefahr, denn dieser Ort ist ein Schlüpfgrund der Coccodrillos, und sie traten dort in solch großer Zahl auf, daß sie uns an die Ameisenarmee erinnerten. Ich habe Euch schon gesagt, daß Coccodrillos einen moschusartigen Geruch ausströmen, doch hier waren sie so zahlreich, daß das Wasser selbst nach ihren Ausdünstungen stank, was höchst unangenehm war. Und diese Ungetüme stoßen Schreie aus, rufen sich des Nachts einander zu, besonders bei Tagesanbruch, mit einem Geräusch, das an eines erinnert, das sich aus einem tiefen Brunnen erhebt und noch eine Meile entfernt vernommen werden kann. Doch wir fanden eine Stelle, wo wir den Fluß sicher zwischen zwei großen Lagerstätten dieser Ungetüme durchwaten konnten, und wir zündeten Fackeln an, was sie zurückzuhalten schien.
    Den gesamten folgenden Tag über durchquerten wir ein weiteres trockenes, heißes Gebiet, und kurz vor Anbruch der Nacht stießen wir auf den Fluß Dande, den nächsten im Norden des Mbengu. Wegen der Öde des Landes wandten wir uns nach Osten und marschierten so weit, daß wir sogar die Berge des Manibangono erreichten, eines Stammesfürsten, der mit dem König des Kongos, zu dem wir immer noch reisen wollten, verfeindet war. Vor uns sahen wir ein Dorf, aber wir wußten nicht, welch einen Empfang man uns dort bereiten würde, und so schlichen wir uns verstohlen heran und verbargen uns in einem nahegelegenen Feld.
    Gottes Tod, das war eine Torheit! Denn wir hatten uns genau den großen Friedhof des Dorfes ausgesucht und uns kaum dort niedergelassen, als eine Prozession die Stadt verließ, um irgendwelche Begräbnisriten abzuhalten. Wir konnten nicht fliehen, denn das Land war so flach, daß man uns gewiß sehen würde; und so hatten wir keine andere Wahl, als uns hinter einem der großen, aufgehäuften Hügel der Begräbnisstätte zu verbergen und zu hoffen, daß man uns nicht bemerken würde.
    So kamen sie also näher, und als sie den Rand des Friedhofes erreicht hatten, blieben sie stehen und sahen zu, wie ihre bemalten Medizinmänner ein paar Hennen töteten und das Blut freigebig verspritzten. »Weißt du, welche Bedeutung dieser Ritus hat?« flüsterte mir Cristovão zu, der sich neben mir verbarg.
    »Überhaupt nicht«, sagte ich.
    »Er soll verhindern, daß die Seele des Toten irgendeinem aus der Stadt als Zumbi erscheint.«
    »Ich kenne dieses Wort Zumbi nicht.«
    »Es bedeutet eine Erscheinung des Verstorbenen. Sie sind der Meinung, daß der, dem auch immer er erscheint, bald sterben wird.«
    »Sind wir den Ameisen und Coccodrillos nur entkommen, um uns dem Zumbi auszuliefern?« fragte ich.
    Daraufhin lachte er leise, und dann schwiegen wir und beobachteten, wie die Klageprozession mit viel Gesang, Tanz und Jammern zum Klang von Trommeln, eisernen Glöckchen und elfenbeinernen Hörnern weiterzog. Dann wurde der Leichnam, der in helle Stoffe und Tücher gewickelt war, in sein Grab gelegt. Sie bedeckten ihn mit reichen Gütern, mit Tüchern, Roben und Schmuckstücken und gossen anderthalb Ozeane Palmwein darüber, die ich in diesem Augenblick gern selbst getrunken hätte, und bedeckten das Grab dann mit Strohmatten. Und dann schritten die Zauberer oder Medizinmänner mit tausend abergläubischen Bewegungen

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