Herr der Finsternis
werde mit dir gehen, Andres, und wir werden unser Leben gemeinsam aufs Spiel setzen.« Und er legte seinen Arm auf eine komplizierte und verschlungene Art und Weise um den meinen, was, so glaube ich, unter dem Ciganovolk ein Ausdruck der Blutsverbundenheit ist.
So faßten wir unseren Entschluß und setzten ihn dann, ohne zu zögern, in die Wirklichkeit um. Während wir schufteten, arbeiteten wir unseren Plan aus, der vorsah, daß wir ein Ruderboot stahlen und unter dem Schutz der Dunkelheit aus dem Fort schlüpften, und nicht nur wir beide, sondern eine ganze Gruppe von Flüchtlingen, denn wir stimmten überein, zu mehreren sicherer zu sein, wenn wir im Dschungel unterwegs waren. Cristovão sagte, er würde zehn seiner Freunde überreden, mit uns zu gehen, und dies tat er auch, sieben Portugiesen und drei weitere Zigeuner, die mir alle als starke und vertrauenswürdige Männer bekannt waren.
In diesem tropischen Land bricht die Nacht schnell herein, sobald die Sonne erst einmal untergegangen ist, und wenn der Mond nicht am Himmel steht, ist es völlig dunkel, was an der Dichte der Dschungeldämpfe liegt und an der Schwere der verschlungenen Kletterpflanzen, die sich bis zu den Gipfeln der Bäume ineinander verflechten. Dies war eine Nacht, in der kein Mond am Himmel stand; und in der zweiten Stunde der Dunkelheit erhoben wir uns in unseren Hütten und schlichen uns aus dem Fort davon.
Bei den Wachen erregten wir keinen Argwohn, denn es gingen immer nur ein paar Mann auf einmal, und sie waren auch von der Hitze und Feuchtigkeit des Ortes benommen, die mit der Zeit selbst den wachsamsten aller Männer in einen schwachsinnigen Einfaltspinsel verwandeln kann.
Einer nach dem anderen gingen wir durch die feuchten, fieberbrodelnden Schneisen des Urwalds, bis wir den kleinen Kai neben dem Fluß erreichten. Dort stellte ich fest, daß Cristovão und ein anderer Zigeuner den Posten überwältigt hatten, der die Kanus bewachte. Simão, einer der Portugiesen, zog ein Messer aus dem Ärmel und schickte sich an, dem Mann die Klinge in den Bauch zu stoßen, doch Cristovão ergriff überaus fest sein Gelenk und hielt ihn zurück.
»Nay«, flüsterte er, »sei doch kein Narr! Was soll aus uns werden, wenn wir ihn töten und wieder gefaßt werden?«
Ich hatte in dieser Hinsicht meine Zweifel und war der Meinung, daß es kaum eine Rolle spielte, denn wenn die Portugiesen uns wieder ergreifen sollten, würde es uns schlecht ergehen, ob nun das Blut dieses Portugiesen an unseren Seelen klebte oder nicht. Doch war ich niemals dafür, die Unschuldigen zu töten, und dieser Mann hatte mir kein Unrecht getan. So gab ich meine Zustimmung, und anstatt ihn zu töten, fesselten wir ihn mit Seilen aus lebendigen Schlingpflanzen, die wir von den Bäumen herabgerissen hatten, und stopften in seinen Mund einen dicken Knäuel aus Gras, um ihn zu knebeln.
Dann suchten wir das beste der Kanus aus, das lang und schlank war und wie ein stolzer kleiner Lord auf dem Wasser stand. Wir verstauten unsere Musketen an Bord, das Schießpulver, die Munition und einen kleinen Vorrat an dem goldenen Weizen namens Masa mamputo, der Guineaweizen oder genauer amerikanischer Mais ist, denn dies war die einzige Nahrung, die wir uns vor unserer Flucht beschaffen konnten.
»Geh, Piloto«, sagte Cristovão. »Geh zum Bug und führe uns, und ich werde mich ins Heck setzen.«
Dann kletterte wir zwölf Flüchtlinge in das Kanu, und ich nahm meinen Platz vorn ein, und jeder von uns ergriff ein Ruder, und wir stießen uns ab und brachen auf dem schwarzen, eng gewundenen Fluß auf in die Dunkelheit der Nacht.
2
An diesem Morgen Sklaven, und am Abend waren wir unseren eigenen Herren, wenn auch auf der Flucht! Wir waren frei! Schweigend glitten wir auf der dunklen Brust des Kwanza entlang. An beiden Seiten des Flusses erhoben sich Bäume wie gewaltige Palisaden, und die Tiere der Nacht stießen ihre schrecklichen, heulenden Rufe aus. Mit scharfer Entschlossenheit hielten wir uns auf der Mitte des Flusses, um unser Boot nicht am Ufer zu beschädigen. Manchmal sahen wir, wie am Flußufer rote Augen in der Nacht leuchteten oder auch gelbe: Hippopotami oder Coccodrillos oder vielleicht noch schlimmere Ungetüme.
Einer der Portugiesen, ein gewisser Pero, fing an, eine Geschichte von einer Reise mit dem Kanu zu erzählen, die er einst beim Feldzug des Don João de Mendoça auf dem Mbengu unternommen hatte, und er sagte: »Es war genau wie jetzt des Nachts, und der Fluß war
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