Herr der Finsternis
den Bäumen hinauf, die das weichere Holz der Ollicondi leicht aufnimmt.
Nachdem wir diesen Wald aus geheimnisvollen Baumungetümen durchquert hatten, die wie Wale sind, die im Erdreich Wurzeln geschlagen haben – wenn auch die Wale mit knorrigen Armen und Myriaden kleiner Blätter –, gelangten wir zur Stadt des Calicansamba.
Der große Jaqqa hatte seit einigen Monaten hier sein Lager aufgeschlagen, und der gesamte Ort war durch seine Feste, das Trinken, Tanzen und Essen, zuschanden gekommen. Das einheimische Volk von Calicansamba stand wie traurige Geister herum, unfähig, sich den Jaqqas zu widersetzen, und gezwungen, ihnen alles zu geben, was sie verlangten: Die Jaqqas waren wie eine Heuschreckenplage, die über Vieh, Korn, Wein, Öl und – nicht zu vergessen – Menschenfleisch herfielen. Die Stadt war voll von ihnen. Ich glaube, es gab hier mehr Jaqqas als Einheimische, wobei der Unterschied zwischen ihnen sofort augenfällig war, denn die Jaqqas hatten ihre Haut anders geschmückt, praktizierten den Brauch, die Vorderzähne auszuschlagen, und trugen kaum Kleidung, sondern hauptsächlich Perlen und Muscheln. Und die Jaqqas schmückten sich mit schrecklichem Stolz, benahmen sich wie hohe, allmächtige Herren, selbst der bescheidenste unter ihnen, der noch den Sklavenkragen der Knabenschaft um den Hals trug. Das Volk des Calicansamba war völlig unterworfen, ohne daß ein Streich gefallen war, und ihre Männer schlichen mit hängenden Schultern und trüben Augen einher; sie sahen aus, wie nur ein niedergeworfenes Volk aussehen konnte.
Die Stadt des Calicansamba ähnelte der des Cashil sehr, bis auf die Tatsache, daß fast alle ihre Palmweinbäume gefällt worden und nur ein einziger Hain am östlichen Stadtrand unbehelligt geblieben war. Auch in der Mitte dieser Stadt stand ein großes Idol, und davor waren viele Elephantozähne in den Boden gestoßen worden. Und auch hier gab es einen Altar aus menschlichen Schädeln, der fürwahr sehr abscheulich anzuschauen war und mich daran erinnerte, wie nahe ich dem Schicksal gekommen war, zu Mofarigosats Vergnügen meinen Kopf zu verlieren.
Doch auf dem großen Platz von Calicansamba gab es auch gewisse Dinge, die ich in Cashil nicht gesehen hatte, weil sie nämlich den Jaqqas gehörten. In einer Reihe waren drei riesige Metallbehälter aufgestellt, von denen ich wußte, daß es sich um ihre Kochtöpfe handelte. Auf der einen Seite dieser Töpfe stand ein großer Bottich, der aus sehr eng gezogenen Fasern gewebt und auf der Innenseite mit einer Art dunklem Wachs ausgeschmiert war. Er enthielt mehrere Oxhoft { * } einer dicken, purpurroten Flüssigkeit, und als ich fragte, was das sei, tauchten die Jaqqas, die mich geführt hatten, fröhlich die Hände hinein, schmierten sich mit strömenden Bächlein der Flüssigkeit ein, lachten und sagten: »Das ist Blut, das wir für unsere Feste aufbewahren.«
Ich fragte nicht, noch mußte man mir sagen, was für eine Art von Blut es war.
Auf der anderen Seite der drei Töpfe stand ein weiterer Weidengeflechtkorb, dessen Inhalt bei weitem noch abstoßender war, da er aus einem weichen, fahlen, tranähnlichen Zeug bestand, bei dessen Anblick sich mein Magen hob und ich würgen mußte, denn es war ein großer Vorrat an Fett, das man aus Schenkeln und Brüsten und Bäuchen und Hinterbacken geschält hatte, und ich wandte mich ab, weil ich mich erbrechen wollte, und hielt mir vor Qual die Eingeweide.
»Dieser Vorrat gehört dem Imbe-Jaqqa allein«, sagte man mir, »doch wir haben in dieser Stadt so viel davon, daß er es freigebig verteilt.«
Aye! Darin bestand also die Großzügigkeit des großen Calandola: Er ließ die anderen seiner Nation sich mit dem Fett gefallener Feinde beschmieren, das seine Haut so glänzend machte, und sie erachteten dies als ein seltenes Privileg.
Und dies waren meine Gastgeber. Und dies waren die Geschöpfe, zu denen ich meiner Sicherheit willen geflohen war, weil meine eigene christliche Rasse mich verraten hatte. Aye, und auf solche Art und Weise suchen wir uns in dieser düsteren und elendigen Welt unsere Freunde aus, während wir uns den Weg durch die Fanggruben und Tumulte des Lebens hin zu der freudigen Belohnung bahnen, die uns am Ende erwartet.
10
Die meisten dieser Jaqqas hatten noch nie einen Weißen gesehen, und das Erstaunen, das ich unter ihnen hervorrief, war zehnmal größer als jedes, das ich je zuvor ausgelöst hatte. Sie umkreisten mich unablässig, die Augen weit aufgerissen
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