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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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In der Mitte des Forts errichteten sie Calandolas Haus, das gründlich befestigt und zusätzlich mit einer dreifachen Dornenhecke gesichert wurde.
    Ich glaube, es hätte fürwahr einer kühnen Armee bedurft, wollte sie sich Zugang zum inneren Heiligtum des Imbe-Jaqqa verschaffen.
    Am einzigen Eingang zu Calandolas Haus standen Krieger in Doppelreihen, alle gut bewaffnet und von fürchterlicher Körpergröße und Kraft. Obwohl diese mich gern berührt und betastet hätten, rückten sie nicht von ihren Positionen ab, als ich an ihnen vorbeischritt. Ich gelangte zum inneren Palast, wo große, an beiden Enden zugespitzte Pfähle in den Boden gerammt waren, und auf der Spitze eines jeden solchen Pfahls staken abgetrennte Arme und Beine, die in der Hitze schon ganz verwest und eingeschrumpft und ausgetrocknet waren und auf deren Unterseiten sich gebleichte Knochen zeigten. Die Knochen galten als Zeichen des Triumphs. Hinter der Palisade wartete Imbe Calandola inmitten seines gesamten Hofstaates, seiner Unterführer und Hexenmeister und seiner Frauen, von denen es zwanzig oder dreißig an der Zahl gab, denn ich glaube, alle diese Frauen waren seine Weiber.
    Obwohl dies das zweite Mal war, daß ich ihn sah, empfand ich die gleiche schaudernde Ehrfurcht und Verblüffung, die ich auch beim ersten Mal wahrgenommen hatte, so überwältigend war seine Gegenwart.
    Er war gekleidet wie zuvor, mit einem Streifen Palmstoff um die Hüften, obwohl dieser nun gelb war und nicht scharlachrot; und er hatte Muscheln in seinem Haar verknotet und Kupferstücke durch die Ohren und Nase gestoßen und trug Perlen um die Hüften und gemalte Ornamente auf der schimmernden Haut. Er saß auf einer Art Sattel, der halb so groß war wie ein Mann und auf drei Beinen aus einem sehr schönen pechschwarzen Holz stand, das beinahe wie Steine aussah. In der Hand hielt er einen Becher, der bis zum Rand mit Palmwein gefüllt und höchst kunstvoll aus dem oberen Teil eines menschlichen Schädels gefertigt war.
    Als ich eintrat, nickte der Imbe-Jaqqa mir sehr ruhig zu, senkte den Mund zu der Schüssel und nahm einen so mächtigen Schluck Wein, daß ich glaubte, er würde den Schädel mit einem Zug leeren. Als er den Kopf hob, tropfte der Wein von seinem Gesicht und lief die Wangen und das Kinn hinab, wie der Geifer eines Wolfs, wenn er sich in sein Opfer verbissen hat.
    »Das ist Andubatil«, sagte Kinguri.
    »Andubatil, sei willkommen.« Die Stimme Calandolas war wie das Knurren eines Bären. »Trink, Andubatil!«
    Und er reichte mir den Becher, der noch etwa die Hälfte des Weins enthielt. Ich ergriff ihn, wie er ihn gehalten hatte, mit seinem Gewicht auf meinen beiden Händen und der Glätte des Schädels an meinem Kinn, und berührte ihn mit den Lippen. Das Getränk war noch süßer als jeder andere Palmwein, den ich bislang gekostet hatte, als sei er mit Honig versetzt worden. Doch es war kein Honig, wie ich nach einem Augenblick begriff. Denn der Wein hatte einen rötlichen Farbton, und ich erkannte, welche Substanz man ihm untergemischt hatte, um ihm diese Farbe zu geben. Und ich erschauderte, obwohl ich mich sehr bemühte, es zu verbergen. Aye! Die Schnauze eines Wolfs, die sich blutig hebt, um den Mond anzubellen!
    »Schmeckt der Wein dir?« fragte Kinguri.
    »Das tut er.«
    »Es ist der königliche Wein, den nur der Imbe-Jaqqa trinken darf. Er hat dir eine große Ehre zuteil werden lassen.«
    »Ich bin dankbar«, sagte ich zu Kinguri, der meine Worte Calandola übersetzte. Zu dieser Zeit sprach ich nur ein paar Brocken der Jaqqa-Zunge, und Calandola sprach weder Kikongo noch die portugiesische Zunge.
    Calandola lächelte sein fürchterliches Lächeln, das Coccodrillo-Zähne von großer Schärfe und übler Länge entblößte, bis auf die vier fehlenden. Er musterte mich, wie er mich zuvor gemustert hatte, und sein Blick glitt tief wie eine Klinge in meine Seele.
    »Trink, Andubatil«, sagte er erneut.
    Ich zögerte nicht.
    Sollen sie doch meinen Wein mit Blut vermischen, ich würde trotzdem trinken und noch einen tiefen Schluck nehmen und mich ob dieser großen Ehre geschmeichelt fühlen. Ah, dachte ich, ich habe die Papisten noch übertroffen! Denn sie trinken Wein und geben vor, es sei Blut, während ich Blut trinke, mit dem mein Wein versetzt wurde, und vor gebe, es sei bloß Wein! Doch irgend etwas in meinen Eingeweiden lehnte sich dagegen auf, oder vielleicht war es auch etwas in meinem Verstand und nicht meinen Eingeweiden, und beim zweiten

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