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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Herzen kamen lange Dornen, die mit einer Myriade kleiner roter Blüten besetzt und überaus schön und befremdlich anzuschauen waren.
    Auf der anderen Seite dieser Pässe ließ der Imbe-Jaqqa seine Truppen einige Tage lang ein Lager aufschlagen, ohne Makellacolonge anzugreifen. Wir schickten unsere Späher und Kundschafter aus, um einen Eindruck der geographischen Lage des Landes zu gewinnen, zogen jedoch nicht weiter; noch verrieten wir unserem Feind irgendwie, daß wir auf seinem Gebiet waren. Calandola beratschlagte sich oft mit seinen Medizinmännern und besonders mit dem Nganga Kakula-banga, der der älteste und heiligste dieses Schlages war. Der Imbe-Jaqqa schaute sehr oft ernst und gedankenabwesend drein, verriet uns Hauptmännern jedoch nicht die Natur seiner Ängste.
    Dennoch wollte er Makellacolonge angreifen, sobald die Omen richtig standen. Denn wir nahmen uns sehr viel Zeit, unsere Strategie zu planen, Calandola, Kinguri, die zehn anderen Hauptmänner und ich. Und der Imbe-Jaqqa faßte einen Plan und formte ihn immer wieder um, so daß er sich wie ein reißender Bach in einem flachen Bett veränderte; doch eins blieb dabei immer gleich, nämlich, daß ich der Mittelpunkt des Angriffs sein mußte.
    »Du wirst mit deiner Muskete Stellung beziehen«, sagte er, »und wenn die Trompeten erklingen, wirst du feuern, fünf Mal in die Stadt, und dann… dann… dann…«
    Es war das und dann, das er immer abänderte. Ich hatte Calandola niemals so unentschlossen gesehen. Denn sein Geist war völlig verwirrt und wollte nicht klarer werden.
    Es war zu dieser Zeit, daß er mich oft zur Seite nahm und mit mir spazierenging, wobei er wenig sagte; doch ich glaube, in seiner Einbildung hielt er irgendeine Unterredung mit mir, einen langen Dialog, den er nicht mit mir teilen wollte, der ihn aber zufriedenstellte. Eindeutig war ich nun sein Favorit. Ich sah, wie er die Stirn runzelte und den Mund bewegte, und doch gab er mir keinen Hinweis darauf, was seine Seele beschäftigte. Dennoch fühlte ich, wie ich ihm näher kam, und es gab Augenblicke, da kam er mir nicht wie ein Titan oder Ungetüm vor, sondern wie ein Mensch, wenn auch einer von mächtiger Größe und Seltsamkeit, dem die Sorgen eines Menschen auf der Seele lagen.
    Und schließlich sagte er auf einem dieser langen Spaziergänge zu mir: »Ich glaube, sie planen meinen Umsturz. Glaubst du das auch, Andubatil?«
    »Wer könnte dich entmachten, o Imbe-Jaqqa?«
    Er starrte mich überaus heftig an und sagte: »Gib mir jetzt kein Höflingsgewäsch! Ich habe Feinde in diesem Stamm.«
    »Solche sind mir nicht bekannt.«
    »Und mir auch nicht«, sagte er düster. »Und doch fühle ich, wie sie mich im Schatten umzingeln. Es gibt Männer hier, die auf meinen Rang gierig sind. Es gibt Männer, die mich stürzen wollen.«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte; also sagte ich nichts.
    Er rückte mir näher, bis seine Augen vor den meinen waren. »Es wäre ein großes Unrecht«, murmelte er. »Sie können meine Aufgabe nicht übernehmen. Ihren Seelen mangelt es an Kraft. Verstehst du, was ich sage, Andubatil? Es gibt die Kraft des Körpers« – und er ergriff einen stämmigen Ast, der vor uns lag, und brach ihn entzwei, als sei er bloß Stroh – »und es gibt hier eine Kraft, die eine völlig andere ist.« Er schlug auf seinen Brustkorb. »Ich habe diese Kraft, und sie haben sie nicht, und so bin ich der einzigartige Imbe-Jaqqa! Und der muß ich bleiben!«
    Seine Augen wurden wilder, sein Gesicht überzog sich mit Schweiß. Er fiel von einer ernsten, nachdenklichen Stimmung in eine der wahnsinnigen Erbitterung und des Hasses, und ich fühlte, wie sich dieser Haß in ihm zu einer gewaltigen Kraft sammelte, die der eines großen Felsens ähnelte, der einen Berg hinabrollte und alles unter sich zermalmte.
    »Schau, da ist die Welt, Andubatil! Verderbt! Befleckt! Beschmutzt! Und ich habe die Aufgabe, sie zu reinigen! Nicht ihnen wurde sie gegeben, sondern Calandola, daß er in diese verrottete und entwürdigte und ungesunde Welt hinauszieht und sie rein und heilig macht. Sie verstehen das nicht; sie denken an das Herrschen, nicht an das Säubern. Und ich werde nicht dulden, daß sie mich absetzen. Und ich werde sie entlarven, und ich werde sie brechen, wie ich dies hier breche.« Woraufhin er auf die Knie fiel, auf allen Seiten das gefallene Holz des Waldes einsammelte, es zu dicken Scheiten bündelte und diese Bündel ohne Anstrengung zerbrach und die Stücke beiseite warf.

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