Herr der Finsternis
»Ich werde sie brechen!« rief er.
Meiner Beschreibung seiner Worte zufolge werdet Ihr sagen: Aber er ist ja wahnsinnig! Und, ja, es war ein Wahnsinn in ihm. Aber auch eine schreckliche Kraft und eine Macht und eine versengende Hitze der Überzeugung, die man nur begreifen kann, wenn man so nahe neben ihm stand, wie ich nahe neben ihm stand.
»Wer ist es, der sich dir widersetzt, o Herr Imbe-Jaqqa?« fragte ich.
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Doch wenn du etwas hörst, komm mit dem, was du gehört hast, zu mir. Denn es wäre eine Verderbtheit und ein Verbrechen, würde ich vor meiner Zeit gestürzt werden und bevor ich mein Werk vollendet habe. Wirst du das tun? Wirst du mit den Namen der Verräter zu mir kommen, Andubatil?«
Ich schwor ihm, daß ich das tun würde, denn wie konnte ich es ihm abschlagen? Doch ich kannte keine Verräter, damals noch nicht.
Die Vorbereitungen des neuen Krieges wurden vorangetrieben und zogen sich endlos in die Länge, als wäre der Feind, dem Calandola gegenüberstand, Portugal selbst und nicht irgendein kleiner Fürst des Landesinneren. Ich glaube, seine eigenen Zweifel machten ihn unbeweglich, ihn, der sein ganzes Leben lang kein Zögern und Zweifeln gekannt hatte.
Mir fiel auf, daß ich nach diesen Wanderungen mit Calandola, auf denen wir uns unterhielten, meinen ersten Freund Kinguri immer weniger sah, der sich nun zurückhielt und meine Gesellschaft seltener suchte. Ich erinnerte mich der Warnung des Kakula-banga, daß ich eines Tages zwischen Calandola und Kinguri würde wählen müssen, zwischen dem Feuer und dem Eis, und mir kam der Gedanke, daß ich nun vielleicht in eine Rolle gezwungen wurde, in der ich diese Wahl treffen mußte. Doch ich konnte nichts dagegen tun, nur die Augen aufhalten und abwarten.
Also beobachtete ich auf Calandolas Wunsch die zehn Hauptmänner des Stammes. Doch obwohl ich sie nun von einander unterscheiden konnte und eine Vorstellung davon hatte, wie es in der Seele eines jeden aussah, bemerkte ich in ihnen wenig Feindschaft gegenüber Calandola. Bei den Zusammenkünften des hohen Rates fiel mir auf, daß gewisse Fürsten immer sogleich für jede Maßnahme sprachen, die Calandola vorschlug, und einige häufig dagegen Stellung ergriffen und ihre Unterstützung manchmal den Gegenmaßnahmen gaben, die Kinguri vorschlug. Die, die am sichersten zum Imbe-Jaqqa hielten, waren Kasanje und Kaimba und Bangala, und die, die mit Kinguri verbündet waren, waren Kulambo und Ngonga und Kilombo. Doch das bedeutete an sich nichts: Denn oftmals sind die loyalsten und hingebungsvollsten Ratgeber jene Männer, die es wagen, dem König ihr unabhängiges Urteil mitzuteilen, und die Verräter die, die völlige Unterwerfung vortäuschen. Von den anderen Fürsten waren Zimbo und Ntotela beide alt und weise und schienen nicht das Zeug zum Verrat in sich zu haben; und Ti-Bangala war ein mächtiger Held mit dem Herzen eines Löwen, und Machimba-lombo hatte, obwohl er voller Stolz war und oftmals vor irgendeiner verborgenen Wut tief in seiner Seele wie eine zu straff gespannte Harfensehne zitterte, auf dem Schlachtfeld so oft sein Leben für den Imbe-Jaqqa aufs Spiel gesetzt, daß ich mir bei ihm keine Falschheit vorstellen konnte. So erschien es mir, daß Calandola – wie so viele Caesaren vor ihm – Verschwörungen und Feinde aus Mondstrahlen und Spinnweben erfand, denn seine Herrschaft erschien mir absolut, und vielleicht zwang ihn nur irgendeine Seelenqual, solche Ängste zu ersinnen. Und doch erinnerte ich mich, daß der erste Caesar fürwahr von Verschwörern umgeben war, und nicht nur von Mondstrahlen; daher hielt ich die Augen offen.
Doch vielleicht nicht offen genug, oder ich wäre mehr auf der Hut gewesen.
Wir befanden uns in der dritten Woche unseres Zögerns vor Makellacolonge, und eine Art Klammheit hatte das gesamte Jaqqa-Lager erfaßt, wie die angespannte Stille vor einem großen Sturm. Wir Jaqqa-Fürsten hatten gut gefeiert, und Calandola hatte mir eine große Gunst erwiesen, indem er mir das saftigste Stück Fleisch gegeben und mir persönlich den mit Blut gemischten Wein eingeschenkt hatte. Danach ging ich zu meiner Schlafstätte, vergnügte mich überaus freudig und geräuschvoll mit meiner Frau Kulachinga und fiel dann in den Schlaf wie eine Statue, die von einem Unwetter umgestürzt worden war.
Und erwachte einige Zeit später in der Dunkelheit, weil ich leise, wimmernde Geräusche hörte, wie der Schmerzschrei einer Katze, und Kulachingas
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