Herr der Finsternis
glaube, es wäre eine große Verschwendung, ihn zu töten, denn er hat viel Kraft und ist von großem Wert für uns.«
»Jetzt ist er wertlos«, sagte der alte Ntotela. »Jetzt ist er ein Tier, eine wilde Bestie.«
»Er wird wieder zu Verstand kommen«, sagte ich. »Seht doch, wie der Imbe-Jaqqa sagte, war er nur eifersüchtig auf die Ehren, die ich von euch empfangen habe, weil ich neu unter euch und schon hoch aufgestiegen bin. Doch man kann ihm seinen Zorn nehmen.«
»Nay«, sagte Calandola. »Das ist töricht. Verteidige ihn vor mir nicht länger, Andubatil. Er wird niemals seine Feindschaft dir gegenüber aufgeben. Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Feindschaft zu beenden, und zwar die, dem ein Ende zu machen, der es gewagt hat, den großen Kimana Kyeer ermorden zu wollen. Komm.«
Es dämmerte nun. Ein großer roter Lichtschimmer, der wie das Freudenfeuer eines Riesen aussah, erhob sich über den Bergen im Osten. Die Luft war lau und schwer und verkündete einen baldigen Regen. Sämtliche Jaqqas waren nun auf, und alle schienen davon zu wissen, daß Machimba-lombo in mein Schlafgemach eingedrungen war, denn sie waren aufgebracht und erzürnt.
Kinguri schloß zu mir auf. »Es ist noch niemals vorgekommen«, sagte er, »daß ein Jaqqa-Fürst einen anderen geschlagen hat. Es war edel von dir, zu seinen Gunsten zu sprechen, doch du solltest nicht darauf beharren. Er ist verloren.«
Ich zuckte die Achseln. »Es bedeutet mir nichts, wenn er stirbt«, sagte ich. Denn mein Gnadenausbruch war so schnell von mir abgefallen wie zuvor mein heftiger Zorn. Ich fühlte nun alle Prellungen, die Machimba-lombo mir bei unserem Kampf bereitet hatte, und empfand nun auch den seltsamen, verspäteten Abscheu, der einen überkommt, wenn man dem Tode nahe gewesen war und dies anfangs nicht begriffen hatte. Doch hätte Kulachinga mich nicht gewarnt, wäre mein Körper nun durchtrennt, und ich würde mit meinem guten Blut die Mutter Erde tränken.
Sie hatten sich in einem Kreis um Machimba-lombo aufgebaut, wie damals um die Löwin, und Zimbo und einige andere der älteren Männer sprachen mit ihm. Man hatte seine Fesseln gelöst, und er schien in der Tat jetzt ruhiger zu sein, fast nachdenklich, fast betrübt. Doch er war nur so niedergeschlagen, weil es ihm nicht gelungen war, mich zu töten. Das Licht des Sonnenaufgangs fiel auf ihn, so daß seine tiefschwarze Haut mit einer bronzenen Helligkeit schimmerte, und ich sah die Verletzungen auf seiner Haut, die ich ihm beigebracht hatte. Als er mich erblickte, starrte er mich mit neuer Heftigkeit an, und wäre er frei gewesen, hätte er mich wohl erneut angefallen.
Imbe Calandola trat zu ihm. »Sprich, Machimba-lombo«, sagte er, »verrate uns, was in deinen Gedanken vor sich ging.«
»In meinen Gedanken ging vor sich, o Imbe-Jaqqa, daß dieser Mann keiner von uns ist und sich seinen Rang nicht verdient hat.«
»Und so wolltest du ihn töten?«
»Wenn nicht ich, wer dann? Denn ich wußte, daß du ihn nicht absetzen würdest. Und er sollte nicht das sein, was er unter uns ist, denn er gehört nicht zu uns.«
»Da irrst du dich. Er gehört tatsächlich zu uns, Machimba-lombo.«
Ich fand es überaus seltsam, den König der Menschenfresser dies über mich sagen zu hören. Doch ich bewahrte mein Schweigen und kaute innerlich ein wenig an diesen Worten.
»Wieso gehört er zu uns?« rief Machimba-lombo. »Seine Haut ist weiß! Sein Haar ist golden! Er ist ein Christ!«
»Wir haben ihn aufgenommen und zu einem der Unsrigen gemacht.«
»Aye, und sogar zum Fürsten! Aber er ist nicht von unserem Blut, o Imbe-Jaqqa!«
»Ich sage, daß er durch seine Seele mit uns blutsverwandt ist«, erwiderte Calandola. Dann fügte er ungeduldig hinzu: »Ich werde nicht mit dir darüber streiten. Du weißt, daß es Verrat ist, die Hand gegen einen hohen Jaqqa zu heben.«
»Er ist kein Jaqqa«, sagte Machimba-lombo starrköpfig.
»Und ich sage, er ist einer. Und du hast einen Verrat begangen; und daher wirst du aller hohen Ehren entkleidet, und wir gewähren dir nur diese eine Gnade: daß dir ein Elephanto-Schwanz gewidmet wird, als wärest du in Ehren gestorben. Denn vor dieser Sache warst du ein Mann von Ehre.« Er gab dem Hauptmann Ti-Bangala ein Zeichen und sagte: »Bringe uns den Schwanz des Elephantos des Jaqqas Machimba-lombo.«
Daraufhin wurde das Gesicht des Machimba-lombo steinern und aschen, denn er wußte, daß ihn der Tod erwartete. Und ich glaube, er hörte, wie sein Mokisso, der
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