Herr der Finsternis
ihn bald zur Hölle zerren würde, aus dem Erdreich zu ihm sang.
Ich verspürte etwas Mitleid für ihn, wenngleich er auch keins für mich empfunden hatte. Doch ich hielt es in meiner Brust verschlossen und musterte ihn nur wie einen Feind. Denn ich war Kimana Kyeer, und er hatte Verrat begangen gegen mich und den Stamm, der mich aufgenommen hatte.
Ti-Bangala kehrte zurück. In der Hand hielt er einen großen, schweren, haarigen Elephanto-Schwanz. Calandola nahm ihn entgegen und legte ihn wie eine Peitsche um seine Schultern. Dann sagte er zu Machimba-lombo: »Wir gewähren dir den Tod der Ehre, Machimba-lombo Jaqqa.«
Was dann geschah, erfüllte mich mit Verblüffung und Erstaunen. Sie brachten Machimba-lombo nicht mit Waffen zu Tode, wie ich es erwartet hatte, und auch nicht durch Gift. Calandola legte lediglich dem Verdammten den zusammengerollten Elephanto-Schwanz vor die Füße. Und Machimba-lombo nickte und schaute überaus ernst einen Augenblick lang auf ihn hinab; und dann schwankte er und stürzte zu Boden wie eine Marionetten-Puppe, deren Fäden man durchtrennt hatte. Denn er gab einfach sein Leben auf und ließ es aus eigenem Willen fahren, und dies machte ihm ein Ende. Dies ist eine Befähigung dieser Afrikaner, die ich nicht verstehe, und wenn sie in tiefer Trauer oder entehrt sind und sterben müssen, dann können sie dies allein mit Willenskraft vollbringen, indem sie zu sich sagen: »Verlasse diese Welt«, und sie verlassen sie.
Sechs der hohen Hauptmänner trugen Machimba-lombos Leiche davon, und es folgte eine Zeremonie, der ich nicht beiwohnte, und sie betteten ihn zur Ruhe. Und danach wurde ein anderer Jaqqa namens Paivaga an seiner Stelle zum Hauptmann ernannt; er war schlank und flink und hatte die dünnen Lippen und die schmale Nase eines Mauren, obwohl seine Haut pechschwarz war. Einige Tage lang hielt Calandola sich danach für sich, um den Tod des Machimba-lombo zu betrauern. Und in den Augen der anderen war ich nun endgültig ein hoher Jaqqa: Ich, Andubatil, ich, Kimana Kyeer.
5
Vier Tage nach dem Tod des Machimba-lombo rief mich Kinguri, der Bruder des Imbe-Jaqqa, verstohlen zu sich und sagte zu mir: »Erzähle es niemandem, doch bereite dich auf eine Reise vor, und nimm nichts mit bis auf ein Messer und ein Schwert.«
»Auch nicht meine Muskete?«
»Nay, sie würde dir nur hinderlich sein.«
Obwohl ich nicht wußte, was er im Sinn hatte, tat ich wie geheißen, und auf seinen Befehl stand ich des Nachts auf und sagte Kulachinga, ich würde zurückkehren, wisse aber nicht, wann. Durch den Morgennebel schritt ich zum Rand des Lagers und traf mich dort mit Kinguri.
Er und ich verließen verstohlen gemeinsam das Lager, nur wir beide, und wandten uns in östliche Richtung zu einer breiten, offenen Ebene. Bei Sonnenaufgang machten wir halt, und er sagte: »Du hast mir einmal von der Stadt Rom erzählt, die der Sitz des Papstes und auf sieben Hügeln neben einem Fluß erbaut ist. Ist diese Stadt prachtvoll?«
»Dies habe ich gehört, obwohl ich sie niemals selbst gesehen habe.«
»Glaubst du, daß sie so prachtvoll ist wie das da?«
Und er führte mich ein kleines Stück um einen niedrigen, grasbewachsenen Hügel herum, und ich erblickte eine Stadt, die sich auf einem steinernen Berg von etwa sieben Meilen Durchmessern erhob und vorher durch die Windungen unseres Pfades meinem Blick entzogen gewesen war. Zwischen dieser Stadt und uns lagen reiche grüne Weiden, Felder und Wiesen, die denen, die dort lebten, sicher einen üppigen Anteil an Gottes Früchten bescherten.
»Das ist die Stadt Dongo«, sagte Kinguri, »die Residenz von König Ngola. Sag mir, Andubatil, kennst du in der ganzen christlichen Welt etwas so Prächtiges?«
Was hätte ich entgegnen können? Daß Dongo nur eine verwahrloste Stadt mit Strohhütten war und Rom die Hauptstadt der Welt? Nay, ich wollte ihm nicht so weh tun. Außerdem war dieses Dongo auf seine Art wirklich eine schöne, wundersame Stadt, war sie doch so hoch gelegen wie der Wohnort der Götter auf dem Berg Olymp und strahlte sie doch im frühen Tageslicht mit einer bleichen, fast überirdischen Schönheit.
»Beabsichtigt der Imbe-Jaqqa nun, diese Stadt zu überfallen und nicht Makellacolonge?«
Kinguri lächelte und schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Andubatil, noch nicht! Denn sieh doch: Es führt nur ein Weg zum Berg, und dieser ist gut befestigt, und wollten wir ihn nehmen, würden wir große Verluste an Menschenleben erleiden. Der Imbe-Jaqqa
Weitere Kostenlose Bücher