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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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dessen Blut über seine Wunde tropfen, drückte seinen Arm gegen den meinen und rieb ihn daran, so daß sich das dreifach verschiedene Blut vermischte, seins und meins und das des Vogels, und dabei schaute er mir mit einem heftigen, wilden Blick in die Augen, hinter denen ich seine scharfe Intelligenz hell auflodern sah.
    »Wir sind jetzt Brüder, du und ich, Andubatil Jaqqa!« sagte er mit heiserer, belegter Stimme.
    »Blutsbrüder?«
    »Ja. Und wenn wir dies schon früher getan hätten, hätte Machimba-lombo es nicht gewagt, dich zu berühren, denn dann hätte er gewußt, daß dein Mokisso und meiner miteinander verbunden sind. Doch dies wird dich nun vor weiteren solchen Feinden schützen, denn ich glaube, du hast noch einige davon, Andubatil.«
    »Und wer sind diese Feinde?« fragte ich und musterte verwundert die blutende Wunde an meinem Arm.
    »Ah, darüber können wir ein ander Mal sprechen. Komm jetzt.«
    Schnell sammelten wir Schwanzfedern des Pfaus ein, stießen sie in die Perlengürtel, die wir trugen, warfen den Leichnam des Vogels beiseite und schickten uns an, die Wiese zu verlassen. Doch genau in diesem Augenblick kam der Wachposten dieses Ortes, der seine Morgenrunde machte, an uns vorbei und blieb beim Anblick eines Weißen und eines Jaqqas, die gemeinsam einen der heiligen Pfaue getötet hatten, überrascht stehen, den Mund wie ein Fisch auf dem Land öffnend und schließend. Er war ein kleiner Schwarzmohr, der die mittleren Jahre schon überschritten hatte, bekleidet mit einer grünen Samtrobe und einem hohen, türmchenförmigen Hut, und er deutete auf uns und gab keuchende, aber völlig geräuschlose Laute von sich, so groß war sein Erstaunen. Augenblicklich sprang Kinguri auf ihn zu, das Messer in der Hand.
    Der Wachposten atmete tief ein, als bereite er sich darauf vor, einen lauten Schrei auszustoßen; und der Jaqqa stieß das Messer mit einer fließenden Bewegung in die Kehle des Mannes, der auf die Knie sank.
    Wäre er an diesem Morgen zuerst auf die andere Seite der Wiese gegangen, so hätte er diesen Tag wohl überlebt, denke ich.
    »Wir müssen uns beeilen, Bruder«, sagte Kinguri.
    Durch die Nebel der Dämmerung flohen wir von diesem Ort, unser Beutegut, die Pfauenfedern, mit beiden Händen umklammernd, und mein Arm pochte und klopfte dort, wo fremdes Blut in ihn hineingeflossen war.
    Auf dem Rückweg zum Jaqqalager war Kinguri überaus ermutigt und beseelt. Er legte solch eine Geschwindigkeit vor, daß ich mit seinen langen Beinen kaum Schritt halten konnte. Er stellte mir unendlich viele Fragen, etwa: Welche Farbe hat der Himmel über England? Wie groß ist der Palast der Königin von London? Besucht Gott jemals die Könige von Europa? Und er wollte ebenfalls wissen, wer denn nun bestimmte, wieviel Getreide man mit einem Stück Gold kaufen konnte und warum Gott zugelassen hatte, daß sein einziger Sohn von den Menschen erschlagen wurde, und ob es stimmte, daß die Engländer schwarz geboren und erst weiß wurden, nachdem sie der kalten Luft unseres Landes ausgesetzt waren, und so weiter. Ich hatte ihm kaum die eine Frage beantwortet, da stellte er mir schon die nächste, oder zwei oder drei hintereinander, wie ein Mann, den ein fieberhafter Wissensdurst überfallen hat; und dieser Mann, der wütend geworden war, als ich Einwände dagegen erhoben hatte, Neugeborene zu töten, und der erwidert hatte, ich sei ein Narr, daß ich nicht die offensichtliche Weisheit dieses Brauches erkennen würde, dieser Mann befragte mich nun wie ein wissensdurstiger Gelehrter.
    Erst als wir das Lager erreichten, wurde er etwas stiller, und schließlich drehte er sich zu mir um, sah mir in die Augen und sagte: »Es ist nichts Geringes, was du und ich getan haben. Ein Jaqqa nimmt sich nur ein oder zwei Mal im Leben einen Bruder, und erst, nachdem er lange darüber nachgedacht hat. Und fast immer geschieht dies auf dem Schlachtfeld.«
    »Warum hast du mich dann gewählt, Kinguri?«
    »In deinem Blut ist Weisheit, Andubatil. Und nun sind wir miteinander verbunden, und die Weisheit der Weißen fließt auch in meinem Körper. Ich sage dir, ich könnte es nicht ertragen, sie nicht in mir zu haben!«
    Und demzufolge strömt nun die Wildheit der Jaqqas in meinem Körper, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Ich nahm ihr Fleisch in meinen Magen und ihr Blut in meine Adern, und Schritt um Schritt strömte mein Leben in den Fluß des ihren und vermischte sich damit, bis man es nicht mehr unterscheiden konnte.
    Ich

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